Bob Welch
Paris nannte er seine Band, "French Kiss heißt sein erstes Solo-Album. Das Cover ziert eine schlüpfrige erotische Kußszene. Auf Fotos und privat pflegt Bob Welch den "french style" mit Baskenmütze, Zigarre Marke "Romeo & Juliet", Kognak und Backgammon, Und doch stammt Monsieur Welch aus Los Angeles. Wem der Name auf Anhieb nichts sagt, kann sich vielleicht an einen lyrischen Gitarristen von Fleetwood Mac erinnern. Von 1971 bis '75 nämlich hat Welch mit der damals wenig erfolgreichen Band fünf Alben eingespielt, und in jener Zeit entstand auch die "Sentimental Lady" (von der LP "Bare Trees", 1972), die nun in neuer Version als Spätzünder für bessere Zeiten sorgen soll.
Ein Amerikaner in Paris E¿leetwood Mac.Welch’s frühe-1 re Band, hat von ihrer letzten LP „Rumours“ inzwischen 10 Millionen Stück verkauft. „Pech“,könnte man da sagen und vermuten, daß Bob seine Entscheidung mittlerweile bereut hat: „Nein, ich habe nicht das Boot verpaßt! Die Zeit jener Fleetwood Mac, der ich angehörte, war definitiv vorbei. Es kam einfach zu einem kreativen Ende innerhalb der Gruppe.“ Diese Behauptung begründet er mit den zahlreichen stilistischen Veränderungen der Band, die damals dennoch zu keiner nennenswerten Publikumsreaktion geführt hätten. Die aber braucht Mr. Welch. „Ich glaube sogar“ meint er weiter, „daß Fleetwood Mac mit mir dieses heutige Stadium nie erreicht hätten. Und ich habe mir mit meinem Abschied einen Tritt in den Hintern gegeben.“
Nach Fleetwood Mac gründete Bob unerwartet eine Hardrock-Formation Paris, der ex-Jethro Tull-Bassist Glenn Cornick und Drummer Hunt Sales (danach bei Iggy Pop) angehörten. Die Band veröffentlichte zwei Alben. Vor allem das letzte, „Big Town“, heimste großes Kritikerlob ein. Da aber ansonsten erfolgversprechende Reaktionen ausblieben, war 1976 für Welch ein weiterer radikaler Wechsel angesagt: „Paris war eindeutig 180 Grad von Fleetwood Mac entfernt, das schockte sogar mich selbst. Aber ich habe Fleetwood Mac nicht verlassen, weil ich ein Hardrock-Musiker bin. Das ergab sich aus der Situation, und ich hab‘ mir gesagt, o.k., du hast nichts zu verlieren, keinen guten Ruf, kein Landhaus, du bist kein großer Star, laß mich mal was ausprobieren. Gottseidank war es nicht sonderlich erfolgreich, denn vier oder fünf weitere Hardrock- Alben hätte ich nicht schreiben können.“
Kein Scharlatan
Einer, der sich musikalisch so wenig festlegt, gerät schnell in Verdacht, ein Scharlatan zu sein, der sich ausrechnet, wo zwischen all den Mißerfolgen das Geheimrezept des Trends zu finden ist. Aber Bob Welch wehrt sich gegen solche Verdächtigungen. „Ich habe in etwa drei Monaten 25 Songs geschrieben, ohne darüber nachzudenken. Und davon habe ich für „French Kiss“ die neun passendsten ausgewählt. Wäre das ein erneuter Fehlschlag gewesen, dann hätte ich mir halt wieder etwas neues ausgedacht, ich bin ziemlich flexibel.“ Jetzt, da die LP vor allen in den USA glänzend läuft, muß er natürlich vermeiden, daß ihn seine Plattenfirma auf die eingeschlagene Richtung festlegt. Angst hat Welch nicht: „French Kiss‘ war ein Zufall, vielleicht werde ich als nächstes ein Album machen, dessen erste Seite mehr Single-orientiert und die zweite eher ausgeflippt ist, ähnlich wie die zweite LP von Paris.“
„French Kiss“ ist eine LP, die als ersten Eindruck einen geigenlastigen Sound hinterläßt, unterlegt von perfekt durcharrangierten Rhythmusparts, die mit dem gegenwärtigen Disco-Sound liebäugeln. Eingebettet darin Welchs weicher Gesang und das verhaltene,geschmackvoile Gitarrenspiel. Manchmal erinnern diese leichtfüßigen zurückhaltenden Liebessongs an Fleetwood Mac.an Steve Miller(siehe Longplayers).
Mittlerweile steht fest, daß es nicht nur bei der Studioproduktion von „French Kiss“ bleibt. Welch hat eine Band, mit der er im Frühjahr seine erste Amerika-Tournee absolvieren wird. Bekannte Namen sind nicht dabei: „Ich wollte nicht sowas wie Welch, Bruce & Laing, also eine sogenannte Super-Group. Dann müßte ich auch die Songs der anderen Musiker spielen und momentan möchte ich nur mein eigenes Material präsentieren.“ Und das soll auf der Bühne wesentlich rockiger klingen als auf Platte, die nicht nur der Aufmachung wegen ein wenig die Atmosphäre von Playboy und Late Night-Love-Music ausstrahlt. Und da sind wir auch schon bei seinem Faible für Frankreich, wo Welch lange Zeit gelebt und gearbeitet hat, und zwar mit einer Soul-Show-Band. Das war vor Fleetwood Mac.
L.A. an der Seine
„Paris hat mein Leben wesentlich mehr beeinflußt als Los Angeles“, sagt er. „Für einen Amerikaner ist diese Atmosphäre einfach romantisch und faszinierend.“ Trotzdem hat Bob Paris den Rücken gekehrt und lebt weiter in L.A., weil die Musikszene dort einfach besser organisiert ist. Sein Lebenstraum: „Das Musikbusiness von L.A. müßte in Paris, Paris aber in Kalifornien sein, so könnte man beide Annehmlichkeiten zusammen bringen.“
Fleetwood Mac half
Zu jenen L.A.-Annehmlichkeiten zählt zum Beispiel die enge Freundschaft mit Fleetwood Mac. Mick Fleetwood ist sein Manager und hat ein wenig auf „French Kiss“ ausgeholfen, ebenso Lindsey Buckingham und Christine McVie, die auch als Co – Produzenten fungierten. Welch nämlich hat nicht nur eine Vorliebe für das europäische Leben, sondern auch für europäische Musiker, allen voran die englischen. Boogie-Gitarristen sind nicht gerade seine Sache, schon eher Keith Richard, den er uneingeschränkt bewundert. Sieht er sich eigentlich mehr als Gitarrist, als Sänger oder als Songwriter? „Wenn ich wählen müßte, was bisher gottseidank noch nicht passiert ist, dann würde ich zuerst die Gitarre an den Nagel hängen. Ja, ich bin Songschreiber und Sänger und dann erst Gitarrist.“