Bob Dylan
Blood On The Tracks (1975)
17 Die 70er Jahre waren für Bob Dylan eine besonders denkwürdige Phase. Zu Beginn des Jahrzehnts sang er Country & Western mit Johnny Cash. am Ende entpuppte er sich als wiedergeborener Christ, der donnernd das Wort Gottes verkündete. Dazwischen nahm er ein zuckriges Live-Album in Budokan auf, klapperte mit seinen alten Folkie-Freunden als Rolling Thunder Revue amerikanische Clubs ab, jammte mit Patti Smith und diente sich den Psychedelic Fürs als Songlieferant an. Der Mann war eindeutig auf der Suche nach einer Identität. Wie viele große Künstler vor ihm versuchte auch Dylan, aus seinem Leid (gescheiterte Ehe) kreative Vorteile zu ziehen, und auf diese Weise entstand nicht nur ein merkwürdiger Film („Renaldo & Clara“), sondern auch ein großartiges Album: „Blood On The Tracks“. Hier gibt Dylan, ein einziges Mal, sämtliche Fassaden auf. Seine Untersuchungen zum Thema „Was ist bloß schiefgelaufen?“ sind von einer tödlichen Ernsthaftigkeit, und wenn er singt „Either I’m too sensitive or eise I’m getting soft“, scheint ihn die Intensität seiner Emotionen selbst zu erstaunen. Dylan behandelt den Tod der Liebe aus unzähligen Perspektiven: Er versucht es mit Allegorie, Dichtung, dem Blues, der Ballade als Kurzgeschichte und in „If You See Her, Say Hello“ mit schnörkelloser Beschreibung. In“.Tangled Up In Blue“ umkreisen sich die Protagonisten, kommen einander näher, trennen sich wieder. In „Idiot Wind“ sieht er sich als Opfer einer Verschwörung. Die zumeist akustisch ausgerichteten Begleitungen sind sparsam und diskret und die Melodien gehören zu Dylans schönsten überhaupt. Ein weiblicher Rezensent meinte damals: „Stell‘ dir vor, dein Ex-Freund wurde dir diese Lieder vorsingen. Würdest du nicht zu ihm zurückkehren?“