Blondie
NICHTS IST SO, WIE ES SEIN SOLL. DIE HALLE HÖCHSTENS HALBVOLL, DIE VORBAND -Jack Radics und Kollegen – grottenschlecht. Und als die endlich überstanden sind, dräut eine Fanfare aus den Boxen, die irgendwo zwischen Saga, Wagner und Meat Loaf verhandelt wird. Das soll das Intro für Blondie sein? Eine Band, die berühmt geworden ist wegen ihrer giamourös-spartanischen Popmusik? Unmittelbar werden nicht wenige im Auditorium zu Bedenkenträgern – und sehen sich gleich bestätigt: Mindestens zwei der Herren da auf der Bühne tragen Lederhosen; Schlagzeuger Clem Burke sitzt in einer Plexiglaskabine. Dann aber: sie. Debbie Harry, die ewigste Blondine der Popgeschichte, heute 54 und mit einer Art Kapitäns-Käppi auf dem Kopf und schwarzen Lack-Stilettos an den Füßen. Gott sei Dank, wenigstens da ist alles so, wie es sein soll. Debbie Harry tut auch alles dafür, damit der Abend wohl gerät. Ein paar dezente, obschon pfundigere Hüftschwünge – das hat Stil. Bei „Atomic“ fliegt dann das Käppi, Debbie schüttelt mit Grandezza ihr Haar, stakst reichlich elegant ums Mikro rum und weiß auch effektvoll mit der Bluse zu wedeln: „Tonight, make it magnificent“. Ist es dann auch geworden – aber eben nur von ihrer Seite. Denn so würdevoll und erotisch sich Debbie Harry auch durchs Erfolgs-Repertoire arbeitet, Songs wie „Denis“,“Hanging On The Telephone“, „Maria“ und das finale „Heart Of Glass“ im Griff hat – immer kommt ihr irgendwann die eigene Band in die Quere. Ein blödes Bass-Solo da, ein ausufernder Ritt auf Chris Steins Gitarre dort, und am allerschlimmsten ist Clem Burke, der trommelt wie der Duracell-Hase: länger, mehr und gerne auch mal solo. Bis alle ist. Und so erweist sich an diesem Abend leider als wahr, was ohnehin ein über die Jahrzehnte transportierter Irrtum war: Debbie Harry ist nicht gleich Blondie. Sie allein kann’s nicht rausreißen gegen Männer, die an ihren Instrumenten öffentliche Selbstbefleckung betreiben.