Blind Melon: For My Friends
13 Jahre nach dem Tod ihres Frontmanns Shannon Hoon kehren Blind Melon zurück - mit neuem Sänger und dem Album FOR MY FRIENDS. Als alter Blind Melon-Fan hat MUSIKEXPRESS-Leser Christian Frei die Platte unter die Lupe genommen.
13 Jahre ist es her, dass Blind Melon uns mit dem Album SOUP verzaubert haben. Am Ende dieses Sommers stand der Tod des Sängers Shannon Hoon, dem man auch guten Gewissens einen Großteil der Magie zusprechen kann.Alte Liebe rostet nicht und deswegen ist man nun natürlich auf ein Lebenszeichen mit neuem Sänger gespannt. Im Booklet liest man den Satz „This album is dedicated to Richard Shannon Hoon. Always with us.“ Sehr schön. Das stimmt versöhnlich und man freut sich auch schon etwas auf die Musik auf dem frisch erworbenen Silberling. Man hat ihn also nicht vergessen, diesen charismatischen und stimmgewaltigen Frontmann, irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn, der durch seinen etwas zu frühen Tod vom sicheren Legendenstatus abgehalten wurde. Das neue Cover bleibt der bandtypischen Foto-Artwork-Tradition treu. Der äußere Eindruck stimmt also.Also los geht´s.Rein mit der CD und Ohren auf. Das eröffnende Titelstück ist ganz ok. Der Neue – Travis Warren – klingt im erstem Moment mal täuschend echt nach Shannon Hoon. Soll man das jetzt gut finden? Ist das jetzt peinliche Kopie oder liebenswerte Hommage? Vielleicht hätte man doch lieber einen Sänger gehört, der eben NICHT wie der alte klingt, um diese Band neu entdecken zu können. Nach dem ersten Durchgang muss man sich doch eingestehen, dass man das nur dann wirklich genießen kann, wenn man sich vorstellt, es wäre tatsächlich Shannon Hoon, der da singt. Aber es fällt schwer, weil dem neuen offensichtlich eine Eigenschaft fehlt, die Hoon so umfangreich zu bieten hatte, dass er schließlich daran zu Grunde ging: Wahnsinn.Ja, es fehlt etwas der Wahnsinn bei diesen neuen Blind Melon. Das rockt alles recht zahm und konventionell vor sich hin. Durchaus anhörbar, aber Ausbrüche sind erstmal keine zu vermelden. Man denke nur mal an das sich ständig steigernde „Mouthfull Of Cavities“, das einem noch heute den Tag retten kann. Diese Band konnte früher so herrlich grooven und dich schon im nächsten Moment in weiche Akustikgitarren betten, dazu bräuchten die Shannon Hoon nicht mal. Aber lassen wir das alles mal auf uns wirken und warten ab… Beim zweiten Durchlauf bleiben dann „Wishing Well“ und „Tumblin Down“ irgendwie so halbwegs hängen. Allerdings ohne Eindruck zu hinterlassen. Man vermisst die Gefühlsausbrüche und Experimentierfreude früherer Tage. Dann aber setzt die Langzeitwirkung ein. „So High“ entwickelt plötzlich einen Charme, den man vorher überhört zu haben scheint. Gleiches gilt für „Sometimes“. „Wishing Well“ ist ein regelrechter Brecher. Den einführenden Reim „When you fall back down and you lost your crown“ überhören wir einfach mal…Da pulsiert es ja doch noch!!! OK, man hört, dass dies keine hungrige, junge Band ist. Aber mit etwas Abstand lehnt man sich zurück und genießt einfach das Liedgut, ohne immer nur an Shannon Hoon zu denken.Wenn man das Booklet noch mal durchblättert, entdeckt man in Dankeslisten die Namen Shannon Hoon, Nico Blue Hoon usw. Vielleicht muss man das ganze auch als Tribut an den Verstorbenen sehen. Als ein Projekt alter Kumpels, die einfach Bock haben; wieder zusammen zu spielen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist es ein klasse Album geworden. Heute gibt es relevantere Bands aber wir werden daran erinnert, wie sehr man Blind Melon einst lieben konnte und musste.
Christian Frei – 28.10.2008