BLIND DATE


Da ist er: schwarze lange Zotteln, wuscheliger Bart, Zigarette in der Hand. Scott Matthew schneit ins New Yorker Schwulenhotel „The Out“ wie ein Fremdkörper. „Ich war schon mal hier, bei einer Drag-Queen-Show“, gibt der offen schwule Sänger zu. „War gar nicht so schlecht.“ Gerade hat er ein Cover-Album aufgenommen, Zeit, ihn selbst mit ein paar nachgespielten Hits auf die Probe zu stellen. „Hoffentlich ist Sonic Youth dabei“, sagt er. Nun ja, wir können nicht jeden Wunsch erfüllen.

SAINT ETIENNE – ONLY LOVE CAN BREAK YOUR HEART

Ace of Base!

Nein, ganz falsch!

Aber das ist doch dieses Cover von Neil Young. Wer singt das denn?

Saint Etienne!

Ein fabelhaftes Stück. Als ich noch in Australien gelebt habe, wurde das Lied in allen Schwulenbars gespielt. Die Version ist gut, weil sie es in einen anderen Kontext stellt. Es ist kein Folk-Song mehr, sondern ein Radiohit. Ich habe den Titel damals aufrichtig geliebt – obwohl er nicht von Ace of Base ist.

SCISSOR SISTERS – COMFORTABLY NUMB

Die Scissor Sisters covern Pink Floyd. Das Stück bringt New York Anfang der Nullerjahre auf den Punkt. Die Stadt war in einem Zustand des Übergangs, vor allem Manhattan hatte noch diese Aura von Freiheit: Auf der Straße gab es weniger Polizei als heute, die Clubszene war wild, rebellisch und lasterhaft. Diese Zeiten sind leider vorbei.

SOFT CELL – TAINTED LOVE

„Tainted Love“, ganz klar. Genial! Ich kannte zunächst nur diese Version, bevor mir jemand Jahre später sagte, dass es nachgesungen ist. Ein gutes Beispiel, dass ein Cover besser als das Original (von Gloria Jones – Anm. d. Red.) sein kann. Ich war ein Kind, als das Lied von Soft Cell herauskam. Damals war ein düsteres Verständnis von Romantik angesagt, wie auch bei The Cure. Hinzu kam bei Soft Cell eine sexuelle Mehrdeutigkeit. Großartiger Gesang von Marc Almond, eine fantastische Produktion, ein Lied, das wunderbar die Zeit überstanden hat.

LANA DEL REY – BLUE VELVET

Ein bisschen lachhaft, dieses Geschnurre am Anfang. Okay, das ist „Blue Velvet“, ich bin mir nicht sicher, ob ich die Stimme kenne. Hört sich vertraut an, ich kann sie nur nicht zuordnen. Diese Version arbeitet mit der Atmosphäre des Originals. Da ist keine Veränderung zu spüren. Ich bin kein großer Freund von solchen Produktionen: aufsteigende Synthie-Streicher, die vom eigentlichen Lied ablenken sollen, schlurfende Beats, die kurz eingespielt werden. Das ist Lana Del Rey? Schöner Gesang, Gott weiß, wie viel damit im Studio herumgespielt wurde, aber ja, er klingt nett.

DEVENDRA BANHART – DON’T LOOK BACK IN ANGER

Devendra, ganz klar. Der Text kommt mir bekannt vor, was ist das? Jetzt hab ich’s, es ist ein Lied von Oasis. Charmant, was er gemacht hat. Er hat die Akkorde und die Struktur beibehalten, aber durch den Gesang und die niedlichen Sounds dem Stück die schreckliche Männlichkeit von Oasis genommen. Hier ist sogar der Text mal gut, dafür hatten Oasis sonst nicht unbedingt ein Händchen.

TRACEY THORN – KING’S CROSS

Everything but the Girl sind Helden. Tracey Thorns Stimme schafft es, mich zurückzuholen in jene Tage, als ich noch nicht wusste, was aus meinem Leben werden sollte. Ihr erstes Album, EDEN, ist mein Meilenstein. Großartige Texte über Beziehungen, geschrieben von einem Paar, das als solches auf der Bühne stand. Ein Freund hat mir die Platte Anfang der 90er-Jahre geschenkt, ein paar Jahre nachdem sie erschienen war. Das Original ist von den Pet Shop Boys? Sie haben mich nie berührt.

DAUGHTER – GET LUCKY

Das wäre mal ein überraschenderes Lied für Lana Del Rey. Ich kenn’s nicht – spielen Sie mir mal das Original vor! Nett, wird nur nach einer Weile langweilig, hört sich bisschen wie Earth, Wind & Fire an. Was ist das?

Daft Punk!

Ich habe die ganzen Plakate in meinem Block gesehen, jetzt weiß ich endlich, wie die Musik dahinter klingt. Die Coverversion finde ich schöner. Es erinnert mich an The xx, die Echos, der hingehauchte Gesang – es ist viel moderner als das Original.

Albumkritik ME 7/13, CD im ME S. 5

Ende der 90er-Jahre wanderte Scott Matthew von Australien nach New York aus, zwischenzeitlich lebte er auch in Berlin. Der Sound des Mannes mit dem pechschwarzen Bart ist rasch umrissen: ein Klavier, manchmal eine Ukulele, flehende Vocals – das zeichnet die seit 2007 erschienenen drei Solo-Alben aus. Das vierte heißt UNLEARNED und kommt dieser Tage. Darauf zu hören: eine Reihe Coverversionen, von Neil Young bis zu den Bee Gees.