Kritik

„Blackpink: Light Up The Sky“: Perfekter K-Pop im Hochglanzformat


Wie es Jisoo, Jennie, Rosé und Lisa von der K-Pop-Band Blackpink zur erfolgreichsten koreanischen Girlgroup geschafft haben, zeigt eine neue Netflix-Doku. Die ist so interessant wie traurig.

Vier junge und hübsch zurechtgemachte Frauen sitzen in einem Restaurant in Seoul, Südkorea. Sie sprechen darüber, wie ihr Leben wohl in zwanzig Jahren aussehen könnte. Ob sie zu dem Zeitpunkt wohl schon verheiratet sein werden? Eventuell sogar schon Kinder haben? Bei diesen absurden Gedankenspielen kichern alle leicht verlegen, so als würden sie sich dafür schämen, überhaupt an eine Zukunft außerhalb ihrer Gruppe zu denken.

Es ist eine der besonders rührenden Szenen aus der neuen Netflix-Dokumentation „Blackpink: Light Up The Sky“, die am 14. Oktober 2020 erschien, über die erfolgreichste koreanische Girlgroup aller bisherigen Zeiten. In diesem Restaurant, an diesem Tisch sind die vier Mitglieder Jisoo, Jennie, Rosé und Lisa plötzlich nicht bloß die perfekt durchgestylten Popstars, sondern vier von einer normalen Welt entfremdeten Frauen, für die ein Thema wie Beziehungen, Kinderwunsch oder Privatleben fern, ja sogar fremd erscheint.

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Blackpink ist eine von YG Entertainment gecastete K-Pop-Band, die seit 2016 weltweit Rekorde bricht. Ihre allererste Single konnte in den Billboard World Digital Song Charts den ersten Platz erobern, der Song „How You Like That“ erreichte innerhalb von 32 Stunden 100 Millionen Aufrufe auf YouTube. Ihr erstes Konzert in Südkorea im Jahr 2018 war innerhalb von zwei Minuten ausverkauft. Im vergangenen Jahr wurde Blackpink als erste K-Pop-Gruppe aller Zeiten die Chance geboten, beim Coachella Festival in Kalifornien aufzutreten. Und nun: Eine Dokumentation, die diesem Superlativ an Erfolg auf den Grund gehen möchte. Wie konnte Blackpink so rasant durchstarten? Was hebt die Girlgroup von anderen koreanischen Bands ab? Und was steckt eigentlich hinter K-Pop – dieser perfektionierten Castingshow unter den Musikgenres?

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„Blackpink: Light Up The Sky“ vergräbt die dunklen Seiten der K-Pop-Industrie jedoch unter einer klebrigen Zuckerschicht

Für eine Beantwortung dieser Fragen schaut „Blackpink: Light Up The Sky“ zwar genug hinter die Kulissen, um die Zuschauer*innen an dem Innenleben von Jisoo, Jennie, Rosé und Lisa teilzuhaben, vergräbt die dunklen Seiten der K-Pop-Industrie jedoch unter einer klebrigen Zuckerschicht, die kritische Nachfragen sofort im Keim erstickt. Ein kluger Schachzug; schließlich ist die Talentmaschinerie YG Entertainment nach wie vor Geburtsort und Förderer von Blackpink. Ein schlechter Ruf des Unternehmens könnte sowohl die Band, als auch das Plattenlabel an Erfolg einbußen lassen. So bleibt die Doku eher vage, wenn es um den Druck, das Drillen, die Psychospiele und den Wettbewerbskampf geht, dem die Blackpink-Mitglieder während ihrer jahrelangen Ausbildung bei YG Entertainment ausgesetzt waren. Dass sie alle monatelang nicht nach Hause fahren durften, dass sie 14 Stunden pro Tag für dreizehn Tage am Stück trainieren mussten, dass sie miterlebten, wie Kolleginnen aufgrund von zu schlechten Leistungen einfach rausgeschmissen wurden – all das wird erwähnt, aber dem höheren Ziel untergeordnet. Mehrfach sagen Lisa, Rosé, Jisoo und Jennie in der Doku dann: Es hat sich alles gelohnt. Man möchte ihnen so gerne glauben.

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Bis zu sechs Jahre wurden die vier bei YG Entertainment in Sachen Tanz, Gesang und Rap ausgebildet, bis sie ihr Talent als Girlroup genug unter Beweis gestellt hatten. Für die Ausbildung mussten sie extra nach Südkorea ziehen – ohne ihre Familie. Im Jahr 2016 debütierten sie als erste von YG gegründete K-Pop-Girlband seit sieben Jahren. Ein direkter Erfolg. Warum aktuell nicht nur der gesamte asiatische Kontinent von Blackpink begeistert ist, sondern sich auch westliche Popstars wie Lady Gaga, Dua Lipa und Selena Gomez um ein Feature mit der Girlband reißen, zeigt sich in der Doku ab dem Moment, wo man die vier gemeinsam live performen sieht: Blackpink ist perfektionierter Pop. Die Musik ist genreübergreifend genug, um aufhorchen zu lassen. Die Choreographien sind umwerfend und bis auf die Millisekunde synchronisiert. Wie die Spice Girls verkörpern auch Jisoo, Lisa, Rosé und Jennie ein Motto, eine Rolle, eine eigene Kunstfigur. In einer Zeit von personenspezifischen Algorithmen und Social-Media-Optimierungswahn erscheinen Blackpink wie die Personifizierung von K-Pop-Musik im Hochglanzformat.

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Was „Blackpink: Light Up The Sky“ dabei als Dokumentation hervorhebt, ist der Fokus auf die persönliche Perspektive der Frauen – auch außerhalb ihrer Gruppendynamik. Man versteht, was sie antreibt. Sie alle erzählen von der Erwartungshaltung, die mit ihrer Ausbildung bei YG Entertainment einherging. Wie man immer besser sein musste. Dass gut nie genug war. Sie berichten davon, wie ein Studium in einem fremden Land zusammenschweißt, wie man die Einsamkeit teilt. Als die vier irgendwann sagen, Blackpink würde deshalb so gut funktionieren, weil sie alle das Beste für die Gruppe wollen, dann nimmt man ihnen das ab. Teilweise schwingt auch eine Naivität und Kindlichkeit in der Art und Weise mit, wie die vier miteinander agieren. Sie tänzeln durchs Zimmer, kichern verstohlen mit der Hand vor dem Mund und trauen sich nicht, vor fremden Leuten im Studio zu singen. An einer Stelle in der Dokumentation heißt es, sie hätten gerne eine normale Jugend und Schulzeit gehabt. Eine kindliche Haltung für eine gestohlene Kindheit.

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Der Höhepunkt der Dokumentation stellt Blackpinks Auftritt beim Coachella Festival im Jahr 2019 dar. Es ist das erste Mal, das eine K-Pop-Band auf der einflussreichen US-Veranstaltung performen darf. Auf einmal sind Jisoo, Lisa, Rosé und Jennie nervös. Sie wissen, was ihr Auftritt hier bedeutet. Was alles auf dem Spiel steht. In Asien haben sie bereits Arenen gefüllt, doch auf dem Coachella erwarten Blackpink kein großes Publikum – zu unbekannt seien sie noch auf dem amerikanischen Kontinent, denken sie. Als die vier Frauen die Bühne betreten, schlägt ihnen eine gigantische Welle an Applaus entgegen – die Menschenmassen erstrecken sich bis zum Horizont. Jennie beschreibt den Coachella-Auftritt als den bisher größten und wichtigsten Moment ihrer Karriere. Sie sagt: „Zum ersten Mal realisierten wir, dass wir auch Spaß auf der Bühne haben können.“ Irgendwie schön – aber auch unsagbar traurig.

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„Blackpink: Light Up The Sky“, seit 14. Oktober 2020 auf Netflix im Stream verfügbar