Black Uhuru – London, Rainbow
Brixton brannte zum dritten Mal in zwei Monaten, als Black Uhuru in London debütierten. Und die Feuersbrunst verwandelte das hoffnungslos überfüllte Rainbow in einen Hexenkessel, in eine Brutstätte elementarer Gewalt, deren Schreckensbilanz sich in ihrer vollen Tragweite erst am nächsten Morgen überblicken ließ. Rivalisierende Gangs prallten aufeinander, die Springflut von Vandalismus und Plündere) schlug über unseren Köpfen zusammen, Blackout im Rainbow, Bandenkriege, Überfälle, Verletzte, ein Toter… RED ALERT, ein Omen, das sich mit erschreckender Deutlichkeit bewahrheitete.
Michael Rose, Ducky und Puma brauchten lange, um die vergiftete Atmosphäre mit ihrer Botschaft zu entspannen. „Amnestie für Jah Jahs Kinder“ orakelt Rose, ein Schrei aus der Diaspora, der nicht ungehört verhallt. Denn er bahnt sich seinen Weg, komplimentiert sie hinaus aus dem babylonischen Trümmerhaufen, hinaus aus Brixtons Armageddon, heim ins abessynische Nirwana – wenn auch nur für 90 Minuten. Bei „The Whole World Is Africa“ bricht Rose endlich aus der starren Vocalband Choreographie aus. Er tänzelt schlafwandlerisch am Bühnenrand auf und ab, scheint in Trance jegliche Bindung zur Außenwelt zu verlieren, improvisiert, gestikuliert, spuckt mit vibrierendem Falsett einzelne Silben, Wortfetzen und Beschwörungsformeln aus.
Ducky und Puma bilden zu Rose’s Martyrium ein ausgleichendes Pendant, marschieren im wiegenden Gleichschritt und krönen seine Strophen intervallartig mit kristallklaren Ostinati. „I Love Haile Selassi“ von ihrem Jammy-produzierten Debütalbum wird zum metaphysischen Rollenspiel; Rose torkelt im Delirium, seinen Glaubenspakt ein ums andere Mal erneuernd. „Guess who’s Coming to dinner?“ Uhuru brauchen die Antwort nicht mehr abzuwarten, ihr Auftritt hat von nun an Heimspielcharakter, das Echo der Mega-Dreads erfüllt den Saal: „Natty Dreadlocks!“ Michael zerrt Shakespeare ins Rampenlicht, und der läßt sich von der überschäumenden Vitalität anstecken, spießt seine Schirmmütze am Baßlauf auf und dreht eine Ehrenrunde um Sly’s Schlagzeugpodest. Es kommt selten zu kontrastierenden Solo-Intermezzi, Black Uhuru wissen genau, was sie wollen. Sterlings Piano-Shuffle trifft meist nur das mittlere Manual, Thompson und Mao beschränken sich auf präzise Rhythmus-Schläge – und die Taxi-Artillerie verschweißt alles zu einem, bis zum Äußersten komprimierten Roots-Mix.
Solange Black Uhuru routiniertes Kalkül durch geballte Emotionalität ersetzten, Rose es fertigbringt, die ganze Skala seines Gefühlsbarometers in einer einzigen Show auszuschütten, kann ihnen niemand den Platz auf Jahovias Thron streitigmachen. Oh ja, es mag pathetisch und überzogen klingen, aber sie boten für mich – trotz widrigster Begleiterscheinungen, die einen Abend in Kingstons Skateland vergleichsweise harmlos erscheinen lassen – den leidenschaftlichsten Live Act seit Spears denkwürdiger Performance in der Düsseldorfer Philippshalle!