Black Crowes
Sie sind die Allman Brothers der 90er Jahre: Sechs unverbesserliche Neo-Hippies, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Welt mit ihrer Message von Brüderlichkeit, freier Liebe und ebenso freiem Drogenkonsum zu beglücken. Die Band aus Atlanta/Georgia hat nie einen Hehl aus ihrem Faible für den bluesigen Rock’n’Roll der späten 60er und frühen 70er gemacht. Im Gegenteil, sie haben ihn im Verlauf ihrer Karriere sogar immer stärker in den Vordergrund gestellt. Ihr ’90er Debüt ‚Shake Your Money Maker‘ zeugte noch von deutlichen Hardrock-Reverenzen. Diese sind auf den Folgealben ‚The Southern Harmony And Musical Companion‘ (’92), ‚Amorica‘ (’94) und dem aktuellen Longplayer ‚Three Snakes And One Charm‘ einem eigenwilligen Konglomerat aus Bluegrass, R&B, Boogie Woogie und Southern Rock gewichen. Gerade live sind die Krähen kaum zu übertreffen, wie sie Mitte November beim Rockpalast-Comeback in der Essener Grugahalle erneut unter Beweis stellten. Durch die kurzfristige Absage von Rage Against The Machine zum offiziellen Headliner des Abends avanciert, präsentierten sich Sänger Chris Robinson – im verwaschenen Hendrix-Shirt, mit imposantem Vollbart -, Bruder Rieh Robinson an der Gitarre und die restlichen Crowes in bester Spiellaune. Schon der Opener ‚One Mirror To Many‘ gab die Marschrichtung für die folgenden 90 Minuten vor: Ein homogener Sound mit viel Platz für gelegentliche Improvisationen und spontane Jams. Und obgleich jede Note, jedes Break und jedes Solo stimmt, fehlt von biederer Routine jede Spur.
Chris Robinson hat den Blues mit der Muttermilch aufgesogen. Der Mann, der aussieht wie eine Mischung aus Jesus Christus und Fidel Castro, wirkt inzwischen zwar etwas statischer und nicht mehr so hyperaktiv wie noch auf der ’95er Tournee, dafür aber weitaus intensiver und charismatischer. Und so muten die wenigen Tanzeinlagen, die er diesmal nicht barfuß, sondern in dünnen Lederschuhen vorführt, fast schon verloren bis hilflos. Als echter Blueser frönt Chris nunmehr dem vokalen Seelenstriptease: Er schreit, jammert, wimmert sich durch die Songs, durchlebt jeden einzelnen Akkord und verleiht den Texten erst die richtige Note Weltschmerz.
Das Programm ist dominiert von den Highlights der beiden letzten Alben, doch auch die „Klassiker“ dürfen natürlich nicht fehlen: ‚Shake Your Money Maker‘, ‚Thick’n’Thin‘, ‚Stare It Cold“, ‚Hard To Handle‘ oder ‚Jealous Again‘. Kein reines Greatest-Hits-Set und trotzdem so eindrucksvoll und stimmig, daß die 3.000 Zuschauer in der Essener Grugahalle selbst um 2 Uhr morgens – nach neun Bands und acht Stunden Musik – frenetisch nach einer Zugabe forderten. Vielversprechender hätte die europäische Live-Premiere von ‚Three Snakes And One Charm‘ gar nicht ausfallen können. Ende Januar brechen die Krähen zu ihrer bislang größten Deutschland-Tournee auf: Acht Gigs in Hallen und Clubs mittlerer Größenordung. Das ist die vielleicht letzte Gelegenheit, diese exquisite Band noch einmal in intimer Atmosphäre zu erleben.