Black Beau
So mancher hat vielleicht noch vage Erinnerungen an den einstigen Baß-Spieler der Plasmatics. Dieser schwarze Bursche mit dem blond getünchten Irokesen auf dem Schädel? Ja, genau. Irgendwo versteckt im trockeneisvernebelten Bühnenchaos, immer in den Hintergrund gespielt von der verrückten Wendy und ihrer Motorsäge.
JEAN BEAUVOIR zu treffen, ist dann ein kleiner Schock. Er muß in den letzten Jahren geradezu aufgeblüht sein. Die Ehrfurcht ereilt einem bei soviel Schönheit, und schon schießt dem Reporter jener berühmte Miles Davis-Spruch in den Sinn, als dieser versuchte, die Schönheit eines AI Green in Worte zu fassen:
„If he had one tit, I’d marry the motherfucker!“
Wenn das Aussehen wirklich soviel in dieser Branche zählt, wie immer gesagt wird, dann wird Jean Beauvoir der Weg zum Ruhm nicht verwehrt werden. Sein blonder Irokese ist noch länger geworden und glänzt- — o Wunderwerk moderner Haarkosmetik -— seidig. Darunter ein paar perfekte Backenknochen in einem prächtig geformten Gesicht. Und diese Wohlgeformtheit wiederum ist montiert auf einem makellosen, muskulösen Körper mit herrlichen langen Beinen. Eigentlich der „Designer-Popstar“, entsprungen aus einem der feuchtesten Träume Malcolm McLarens. Halb schwarz, halb weiß (Vater Haitianer, Mutter Französin), ist er auch auf dem Apartheid-orientierten MTV-Kanal denkbar, der bekanntlicherweise seine Neger ja nicht allzu afrikanisch sehen will.
Und zu allem Überfluß kann der Junge auch noch jedes Instrument spielen, das du ihm in die Hand drückst und singt mit einer Stimme, die wie eine kommerziell äußerst erfolgversprechende Mischung aus Synthi-Funk und Open Air-Stadion-Rock klingt. Wie das fehlende Glied zwischen Foreigner und Prince…
Er hat schon ein merkwürdiges, erfülltes Leben gehabt -— für einen jungen Mann, der gerade erst 24 Jahre alt geworden ist. Nach einer Kindheit voller Bewunderung für Kiss, Led Zeppelin und Deep Purple, stieg Jean bei Gary U.S.Bonds ein: ein paar Jahre bevor Herr Springsteen den Uralt-Rocker wiederentdeckte. Jedenfalls tourte Beauvoir schon mit 14 durch die Staaten, um in seltsamen Revival-Shows und bei Oldie-Festivals aufzutreten.
Dann kamen die eingangs erwähnten Plasmatics, die seine Karriere heinah beendeten. Bei verschiedenen Bühnen-Unfällen wurde er unter anderem von der wilden Wendy mit einer Flinte ins Bein getroffen, verbrannte seinen Skalp, als bei dem allabendlichen Ritual mit einem pyrotechnischen Trick der Kopf des Lead-Gitarristen explodierte — und wurde unter einem Berg von Verstärkern begraben, als man eines Nachts ein Auto auf der Bühne zur Detonation brachte.
Ein hartes Brot, nicht wahr? „Aufregend war’s schon“, grinst der Hübschling, „aber solche Sachen sind ein Fuß ohne Boden! Immer auf der Suche nach größeren Sensationen, bleibt dabei zwangsläufig die Musik auf der Strecke. „
Von den Plasmatics wechselte Jean zu Little Stevens Disciples of Soul. Was zu Beginn aussah, als sei es lediglich das Hobby-Projekt eines Springsteen-Müden, dehnte sich dann doch auf zwei Jahre Tournee und zwei Alben aus. Jetzt bittet er um ernsthafte Aufmerksamkeit für sein erstes Solo-Album.
Live wird der schöne Mann auch zu sehen sein, aber sicher nicht mit Riesenaufwand. „Ich mochte meine Laufbahn als Musiker nicht unbedingt davon abhängig machen, wieviel Rauchbomben in meiner Show explodieren … diese Abteilung kenn‘ ich schon!“