Billy Idol: Einmal Punk – Immer Punk


Einmal Punk, immer Punk - das Image des bösen Buben gehört ebenso untrennbar zu Billy Idol wie sein schiefes Grinsen. "Whiplash Smile" nennt der Engländer das, und Whiplash Smile heißt auch das dritte, längst überfällige Soloalbum des Londoner Maulhelden. In seiner Wahlheimat New York berichtet er, warum ihm zwischenzeitlich das Grinsen fast vergangen wäre ...

ME/SOUNDS: Stinkstiefel, Rotzlöffel oder vornehm: enfant terrible – wie geht’s Billy Idol, was macht der Punk ?

IDOL: „Ich hab’s gern, wenn man mich beleidigt – dann brauch‘ ich nicht mehr nett und höflich zu sein. Wie dieser Typ aus Deutschland, der kam von einem Punk-Magazin, stellte mir seinen Cassettenrecorder vor die Nase und fragte:

‚Glaubst du immer noch, daß du ein Punk bist?‘ Klar, sagte ich. Ich fühle mich nach wie vor als Punk. Und er meinte: ‚Ich finde nicht, daß du ein Punk bist.‘ Ich sagte: ‚Hey, schau mal.‘ (Macht vor, wie er den Cassettenrecorder mit dem Fuß zermanscht.) ,Das ist Punk!‘ Ich hasse Leute wie dich und zeig’s dir auch ganz offen: indem ich deine miese kleine Maschine zertrample‘.“

ME/SOUNDS: Um das gleich auch noch abzuhaken: Was ist dran an den ganzen Gerüchten, die sich um dich ranken? In London hieß es unlängst sogar, du seist tot.

IDOL: „Ich mag Gerüchte über mich, echt! Die sind doch irgendwie schmeichelhaft, oder? Unglaublich: Eine Minute bist du ganz normal, in der nächsten bisexuell, noch eine später bist du schwul – und dann ist der Kerl tatsächlich heterosexuell! Und – wow – dann bin ich sogar ein Transvestit!

Durch Gerüchte erfährst du die tollsten Sachen über dich. Wenn du beispielsweise von Los Angeles nach New York fliegst, fliegen die Gerüchte mit. Und wenn ich nach London komme, bin ich gerade eine Woche da, und schon meint irgendein Schwachkopf: ‚Du hast doch AIDS, oder?‘ Ich sag‘ dann: ‚Nein, aber ich bin grad‘ auf dem Weg zur Toilette, um mir einen Schuß Heroin reinzujagen.‘ Natürlich benutze ich all diese Gerüchte, weil ich die Leute gern schmoren lasse. Einige Leute zumindest. All diesen Business-Haien sollte der Arsch auf Grundeis gehen. Sollen sie sich doch wegen mir die Haare raufen!“

ME/SOUNDS: Also doch der böse Bube?

IDOL: „Klar, ich war schon immer so. Ich habe mich nicht so verhalten, um Rockstar zu werden. Ich hab’s gemacht, um Billy Idol zu sein, weil dieser Typ einfach toll ist, weil er Bock hat, weil er in einer Gruppe spielt, Ideen hat und abgeht. Die Chance bekommen und sie nutzen – darum geht’s!

Und immer noch dabeizusein, ist doch irgendwie ein Kompliment. Vor allem, weil man gerade mir immer einen schnellen Absturz prophezeit hat.“

ME/SOUNDS; Zumal du erklärtermaßen kein Freund geregelter Arbeitszeiten bist…

IDOL: „Eins meiner größten Probleme besteht darin, den Leuten klarzumachen, daß ich noch nie im Leben mit festen Terminen gearbeitet habe. Da ich nirgendwo so richtig hingehöre, lebe ich halt ein völlig unreglementiertes Leben; Zeit kann mich gar nicht jucken. Ich denk‘ immer: ‚No Deadlines, only headlines.'“

ME/SOUNDS: Läßt sich das denn so ohne weiteres in diesem Geschäft durchziehen?

IDOL: „Wenn geschäftliche Abmachungen nicht so richtig hinhauen, kann dich das verdammt unsicher machen. Weil die Leute dir gesagt haben: ‚Ich bin immer für dich da‘, und du auf diese Annahme gebaut hast. Ich weiß immer ungefähr, was ich machen will, aber ich brauche natürlich trotzdem Unterstützung.

Das ist jetzt mein drittes Solo-Album in Amerika, und es war eine schwere Geburt, weil’s ständig Ärger mit dem Produzenten gab. Mittlerweile hat der Manager kein rechtes Interesse mehr, meine Freundin und ich haben uns ständig getrennt – es war die Hölle. Aber das ist es nun mal, was ich will, Ich will leben!“

ME/SOUNDS: In der englischen Presse hieß es dann auch prompt: „Billy sah aus wie nach 200 schlimmen Nächten …“

IDOL: „Es waren halt 200 schlimme Rock’n’Roll-Nächte. Wir sind acht Monate lang auf Tour gewesen. Ich bin zehn Jahre älter als der Grünschnabel, der damals mit Generation X im Londoner Marquee rumhing.

So viele Dinge sind inzwischen unwesentlich geworden für mich. Das Gute daran ist, daß meine Musik nicht mehr irgendwelchen Erwartungen entspricht. Ganz schön seltsam: In Amerika packt man uns sogar zwischen Foreigner und Van Halen. Aber mich zwischen Wham! und Boy George zu stecken… das wird ihnen wohl so schnell nicht gelingen!

Apropos Boy George. Er hat immer behauptet, ich sei so ein bürgerliches Mittelklassen-Bürschlein, dabei wohnte er bloß fünf Meilen weiter in Eltham, und die Gegend ist genauso bürgerlich!

Damit wollte er wohl andeuten, daß Leute aus der Mittelklasse nicht singen können oder was. Was soll das, Mann? Ich bin klassenlos, weil ich mit Klassen gar nicht in Berührung komme. Nur die Leute, die über so was reden, haben damit auch Probleme. Nur Leute, die sich fragen, ob Intelligenz wichtig ist beim Singen oder nicht, finden die Tatsache erwähnenswert, daß ich möglicherweise keinerlei Hirn besitze. Niemand sonst.“

ME/SOUNDS: Und nur Leute, die sich ihrer Hautfarbe bewußt sind, finden die Tatsache erwähnenswert, daß es Schwarze und Weiße gibt?

IDOL: „Weiße sollten Rock’n’Roll spielen das ist weiße Musik. Sie können keine wirklich schwarze Musik machen, weil sie nicht schwarz sind. Nicht so sehr, weil sie von Geburt an so unterschiedlich wären, sondern vielmehr, weil sie doch oft erheblich andere Lebensbedingungen haben.

Wir leben in einer unausgewogenen Gesellschaft, die Weißen mehr Chancen einräumt. Die Schwarzen singen im Prinzip immer noch die alten Klage-Lieder darüber, daß sie nicht alles dürfen. Und leider stimmt das ja auch. Während die Weißen das, was sie vom Blues übernahmen, ins Unverfänglich-Positive drehen…“

ME/SOUNDS: … und dann mit den Schwarzen „We Are The World“ singen. Warum warst du bei dieser Veranstaltung eigentlich nicht dabei?

IDOL: „Das war schrecklich. Selbst wenn ich dagewesen wäre, hätte ich’s nicht ausgehalten, da auch nur zuzuhören. Ich hätte gedacht: ‚0h nein, nicht DIE! Herr im Himmel, wie können die nur diesen gräßlichen Song singen.‘ Ich wäre glatt ausgerastet.

Außerdem war ich gar nicht darauf vorbereitet, bei einer dieser Veranstaltungen mitzumachen. Wir hatten gar keine Band. Und ich hätte bloß neues Zeug spielen wollen, das aber noch gar nicht fertig war. Ich brauche auch immer einen konkreten Grund, um etwas zu tun, nicht bloß weil irgendwo auf der Welt Leute verhungern. Das ist mir zu schwammig und dient doch meist nur dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen.

Wir haben uns zur selben Zeit an einem Album für die Krebshilfe beteiligt, aber daraus ist, glaube ich, nichts geworden. Das war eine schöne Alternative, besser als dieser peinliche Versuch, Publicity für sich rauszuschlagen, indem man ein traniges Lied mitsingt.“

ME/SOUNDS: Dabei wäre der Heiligenschein nie leichter verdient als heute. Wie hältst du’s mit der Religion?

IDOL: „Jesus war Punk-Rocker. Guck dir doch an, was er mit den Juden gemacht hat. Und mit den Römern. Die mußten ihn doch umbringen, oder? Ich wollte es ihnen diesmal so richtig besorgen, diesen religiösen Heuchlern in Amerika, die nach wie vor behaupten, ich sei ein Anti-Christ. Darum sind auf Whiplash Smile viele Texte irgendwie religiös, ‚Soul Standing By‘ und auch andere Songs. Sollen sie doch versuchen, mich anzugreifen.“

ME/SOUNDS: Im Fadenkreuz der amerikanischen Moralisten steht ja vor allem auch der Heavy Metal. Wie grenzt du dich da ab?

IDOL: „Ich kann Heavy Metal nicht ab. Paßt einfach nicht zu Amerika. Widerlich. Die haben doch nur Stroh im Kopf. Black Sabbath zu sehen war fantastisch, als ich 14 Jahre alt war. Ein Jahr später fand ich sie langweilig.

Ich meine, ich mag das Große am Heavy Metal, das Laute, den Krach. Aber diese neuen Sänger sagen mir nichts.

Ich will nicht so klingen, als hätte ich Angst vor Konkurrenz. Tut mir leid, wenn manchen Leuten nicht gefällt, was ich sage, aber so läuft’s nun mal. Vielleicht revanchieren sie sich ja und erklären, daß sie mich hassen: dann kriegen wir wenigstens mal ein bißchen Reaktion. Manchmal braucht man eben Feinde – das hält die Musik frisch.“

ME/SOUNDS: Auch Feinde im Kritiker-Lager?

IDOL: „Normalerweise lache ich über schlechte Kritiken. Aber irgend was Wahres ist immer dran. Und dann schreist du iiiiiieh!!, weil die Kritiker ja auch nicht alles in den falschen Hals kriegen können.

Du kannst Rock’n’Roll nicht für bare Münze nehmen, wenn du darüber schreibst. Das ist so, wie wenn du die Kamera hast – und alle wollen, daß du die Bilder machst. Dann kannst du selber nicht mehr auf den Bildern sein. Du mußt ja die Bilder machen! Wenn du erst mal Beobachter bist, gehörst du nicht mehr länger dazu.“

ME/SOUNDS: So wie du jetzt in deiner alten Heimat London nicht mehr dazugehörst. Was reizt dich an New York, das höhere Energie-Niveau?

IDOL: „Ja, da hat’s noch massenhaft mehr Leute und es ist 24 Stunden geöffnet, aber ansonsten ist es London sehr ähnlich, irgendwie dieselben Vibes, alles konzentriert sich in der City. Ich lebe gerne hier, irgendwie ein heftigeres London. Viel neuer und unverbrauchter. Du merkst, daß was abgeht. Es gibt allerdings kaum noch Auftrittsmöglichkeiten, außer den riesigen Hallen. Seit sie vor zwei Jahren die Afterhour-Clubs (Clubs, die sich nicht an Sperrstunden-Vorschriften halten) dichtgemacht haben, hat sich die Lage in New York drastisch verschlechtert – jetzt langweilen sich alle.

Was mich mit Amerika verbindet, ist die Tatsache, daß sie hier nicht dieselben Vorurteile gegenüber meiner Musik haben. Hier heißt es nicht:

‚Oh, Billy ist ein bißchen amerikanisch geworden.‘ Im amerikanischen Radio sagen sie: ‚Elvis ist der König des Rock’n’Roll. Er ist Millionen ans Herz gegangen und wird ewig in unseren Herzen weiterleben.‘ Das ist doch toll. In England sagen sie bloß: ‚Er ist fett geworden …‘ Ich hatte unlängst mal Ärger bei mir zu Hause. Ich sagte zu dem Polizisten: ‚Wenn das so weitergeht, werd‘ ich aufhören müssen, Musik zu machen.‘ Er meinte: ‚Gib nicht auf Mann. Du machst deinen Job gut.‘ In England hätte das ganz anders geklungen: ‚Schätze, du nimmst Drogen und bist einer von diesen Pennern. Such dir besser eine vernünftige Arbeit!‘ Es war nett, jemanden sagen zu hören: ‚Gib nicht auf. Ich will nämlich nicht aufgeben, ich fange grad‘ erst an…“

ME/SOUNDS: Hast du keine Angst, daß du den Erwartungen deiner Fans nach der langen Wartezeit eventuell nicht mehr gerecht wirst?

IDOL: „Was für Erwartungen? Mit 14 war ich auf einem großen Rock-Festival – drei Tage lang und jeden Tag 24 Stunden Musik. Es war saukalt, und ich dachte bloß: Jetzt sitze ich hier mit 200000 Leuten und will den Mist gar nicht hören.‘ Sie kündigten die Faces an, und alles johlte. Dann kam diese Frau, Julie Felix – sie singt Kinderlieder wie ‚Zoo, zoo, I’m going to the zoo‘ – , und die Menge brüllte ‚Hurra!‘ Dann kündigten sie Mark Bolan an, und alle machten ‚Buh‘.

Der gute alte Mark kam auf die Bühne und meinte: ‚Warum verpißt ihr euch nicht?‘ Dann spielte er all seine geilen Songs, und das Publikum war trotz der anfänglichen Buhs komplett auf den Beinen – er mußte eine halbe Stunde lang Zugaben spielen. So können Erwartungen eben trügen.

Daß sie sich verpissen sollten, hatte den Hippies noch nie einer gesagt. Er machte einfach Punk. Und so was hatte noch keiner vor ihm gemacht.“ ME/SOUNDS: Aber nach ihm jede Menge. Vor allem arbeiten die meisten schneller als du….

IDOL: „Ich könnte auch anders, aber müßte dann später dafür bezahlen. Darum geht es auch nicht, wenn man im Studio steht. Ich bin hinter

den optimalen Aufnahmen her. Ich will, daß die Leute sich das in zehn Jahren noch anhören können und sagen: ‚Hey, klingt ja immer noch verdammt gut.‘ Bei Whiplash Smile gab’s halt die typischen Probleme, die unweigerlich Zeit kosten. Zum Beispiel: ‚Himmel noch mal, ich hat‘ bloß fünf Songs, und die sind alle 20 Minuten lang!‘ Wir haben die üblichen Kämpfe ausgefochten, aber ohne jede Hilfe von außen. Das verlangsamt die Sache natürlich erheblich. Ich bin auch bloß ein Mensch, ich kann Songs nur so schnell schreiben, wie ich’s kann, und das ist nicht allzu schnell.

Schau, ich werde halt nichts akzeptieren, was ich mir nicht selbst anhören würde. Wenn ich Kompromisse machen würde, würde ich mich am Ende selber hassen. Sammy Davis Jr. hat mal gesagt, er habe 40 Alben gemacht, aber nur vier davon gemocht. Und dann meinte er: ‚Ich wünschte, ich hätte noch mal die Möglichkeit, alles anders und besser zu machen!‘ So was will ich nie sagen müssen.

Ich glaube, die wahre Kraft steckt in mir selbst. Die Kraft, sagen zu können ‚Ja, das schaffe ich‘, auch wenn ich mir gar nicht sicher bin, daß ich das wirklich kann. Man sollte aber nicht ständig denken, daß alle anderen mehr wissen als du. Weil sie’s nicht tun.“

ME/SOUNDS: Bei soviel Selbstvertrauen wäre es heutzutage doch nur natürlich, wenn du deine Kräfte auch außerhalb der Musik messen würdest. Gab es da nicht auch Film-Pläne?

IDOL: „Keinem scheint aufzufallen, wie sehr es die Musiker inzwischen schon mit Hollywood treiben. Der Grund, warum ich mich von meinem Manager getrennt habe, war letztlich die Tatsache, daß er Film-Produktionen machen wollte. Warum sollte ich Schauspieler sein wollen? Da wäre ich denen doch ausgeliefert! Ich kann einfach nicht ein Skript nehmen, mich da hinstellen und die Zeilen sprechen, die man mir vorgegeben hat. In meiner Musik kann ich mich ohne Beschränkungen ausdrücken; also wäre es völlig blödsinnig, diese einmalige Freiheit aufzugeben.

Als wir damals mit dem Gedanken spielten, einen Film mit dem Titel ‚King Death‘ zu drehen, fuhren wir nach Hollywood; dort sagte man uns, man würde das Projekt gerne finanzieren. Dann aber bekamen wir heraus, daß sie dafür gleich acht Prozent von meinem nächsten Album wollten.

Ich kriege selbst bloß 12 Prozent vom Verkaufspreis und gebe meinem Gitarristen Steve noch was ab. Das war’s also, was sie wirklich wollten! Da bleiben wir doch lieber bei der Musik und lassen sie ein bißchen schwitzen.“

ME/SOUNDS: Eben, bleiben wir bei der Musik. Wie geht’s deinem Gitarristen Steve Stevens, ohne den deine Musik ja kaum vorstellbar wäre?

IDOL: „Er ist der einzige, der versteht, warum ich so bin, wie ich bin. Früher hieß es ja immer. Eric Clapton sei Gott. Wenn er’s wirklich war, wo steckt er denn jetzt? Heute erzählt mir keiner mehr, er sei Gott. Aber wenn er’s ist, dann ist Steve Gottvater.“

ME/SOUNDS: Hast du wieder eine feste Gruppe?

IDOL: „Nein, noch nicht so richtig. Steve, Tommy Price spielt Schlagzeug… komisch, da spiele ich nun Musik, bei der das Herz eines jeden Rock’n’Rollers aufgehen sollte, und trotzdem ist es verdammt schwer, Leute zu finden, die darauf einsteigen können. Das sollte die problemloseste Sache der Welt sein, aber wir haben in den letzten beiden Jahren so viele Kandidaten ausprobiert und hatten nie einen gescheiten Bassisten, nie! Keiner spielt mehr mit Pick, die spielen alle mit den Fingern, weil sie lieber in Funk-Bands sein wollen. Wo zum Teufel sind die Jungs, die Rock’n’Roll spielen wollen?“

ME/SOUNDS: Was ist mit den Texten?

IDOL: „Mit Musik bekommst du immer rüber, was du sagen willst, selbst wenn du jeden Abend falsch singst. Darum denke ich nicht daran, aus meinen Texten Gedichte zu machen. Ich bin schon stolz, daß es überhaupt Texte sind. Zur Hölle mit der Poesie, die ist doch eh praktisch tot.

Aber Kunst liebe ich trotzdem. Ich glaub‘ einfach, das ist was Unbewußtes, was da ans Tageslicht gefördert wird. Wenn ein Maler ein Bild macht, geht er völlig darin auf, und das ist es, was wir mit einer Platte machen. Wir denken nicht: ‚Hey, hoffentlich machen sie meine Texte zu Gedichten.‘ Scheiß drauf. Let’s dance!“

ME/SOUNDS: Klingt fast nach Sigue Sigue Sputnik. A propos: Tony James war doch früher Bassist bei deiner alten Gruppe Generation X. ..

IDOL: „Ich konnte es gar nicht glauben, als ich gelesen habe, daß Tony gesagt hat: ‚Billy ist inzwischen ein bißchen aus der Mode.‘ Mittlerweile arbeitet er mit Giorgio Moroder, dem alten Knacker, und ich arbeite mit Keith Forsey, dem neuen Knacker.

Aber das war echt zu übel! Und ich war gerade dabei, ihm ein Telegramm zu schicken: ‚Tolle Nummer eins, Tony.‘ Und dann so was.“

ME/SOUNDS: Rock’n’Roll ist nun mal kein Caritas-Verband…

IDOL: „Rock’n’Roll hat mir so viel gegeben. Eine Menge Leute versuchen, irgend was anderes draus zu machen. Mark Bolan ist gestorben, ohne Kopf, um einen Baum gewickelt. Aber er hat uns ein paar tolle Songs hinterlassen. Und James Dean hat gute Filme hinterlassen. Ob er nun homo- oder bisexuell war, ob er wirklich draußen vor der Kirche auf dem Motorrad stand, als dieser andere Vogel geheiratet hat, spielt doch letztlich keine Rolle. Es ist sein Geist, von dem wir was mitkriegen wollen.

Ich denk‘ mir, daß eine Menge Leute aus den verschiedensten Gründen versuchen, diesen Geist aus dem Rock’n’Roll herauszuhalten. Falls sie überhaupt wissen, was das ist.

Es fällt aber auch schwer, diesen Geist hochzuhalten, wenn man über kommerzielle Dinge nachdenken muß. So was wie: Hey, wenn die Platte nicht im Mai rauskommt, werden wir dann im Juni noch genau soviel verkaufen?‘ Bei Generation X kam beispielsweise eine Single an einem Tag in die Top 30 – und war am nächsten Tag schon wieder draußen. Und jedesmal, wenn ich mich darüber laut wunderte, erzählte man mir:

Na klar, eine Hit-Single kann man nicht mit Gewalt machen. Entweder es passiert von alleine – oder es passiert nie!‘ Natürlich weiß ich, daß das nicht stimmt. Eine gute Platte schafft ein Stück des Weges zwar von alleine, aber da gehört auch noch was anderes dazu. Bis zum kleinen Verkäufer, der sich denkt: ‚Guter alter Billy. Echt kein Scheiß, den wir da verkaufen sollen.'“