Bernd Begemann: „Billy Bragg konnte den Brexit so gar nicht verhindern“
Zur Bundestagswahl wollten wir wissen: Was sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wir haben Fragebögen an 150 deutsche Künstler verschickt. Hier die Antwort von Bernd Begemann.
Zur Bundestagswahl 2017 wollten wir wissen: Wie viel sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wie politisch ist deutscher Pop kurz vor der Bundestagswahl und zwei Jahre nach „Wir schaffen das“? In einer Zeit, die geprägt ist von einer Rückkehr in nationalstaatliches Denken, von Europakrise, islamistischem Terror, Klimawandel und zunehmender gesellschaftlicher Spaltung.
Also haben wir Fragebögen an 150 deutsche Künstler und Künstlerinnen verschickt. 29 Antworten kamen zurück, eine davon von Bernd Begemeann.Unsere vier Fragen an Bernd Begemann waren die gleichen wie bei allen anderen Künstlern:
Verstehst Du Dich als Künstler als politisch? Schreibst Du politische Songs?
Warum schreibst Du politische Songs oder warum verzichtest Du darauf?
Können politische Inhalte in Songs tatsächlich etwas beeinflussen? Welche Wirkung können sie haben?
Fühlst Du Dich durch die politischen Entwicklungen der letzten Zeit (Flüchtlingsentwicklung, erstarkender Nationalismus, Autokraten in politischen Führungen, Klimawandel usw.) herausgefordert, künstlerisch und/oder als Person, die im Licht der Öffentlichkeit steht/stehen, politisch zu äußern?
Bernd Begemann war von diesen Fragen gelangweilt. Hier ist seine alternative Antwort mit vier Punkten:
„Haha es kommt alles zurück in weiten Ellipsen… innerhalb der extrem politisierten Hamburger Musikszene der 90er war ich verschrien als „bürgerlich“ (mein schlechter Ruf, mein vergleichsweise geringes Ansehen sind bestimmt eine Nachwirkung davon)…
Von Sprösslingen von Autohausbesitzern und Hochschuldozenten, die heutzutage echt gerne Kulturzuschüsse, Theatergeld etc. einstreichen…
Damals wie heute war und bin ich Grundgesetz-Ultra. Die Frauen und Männer, die das Grundgesetz formulierten, sollten hierzulande mindestens genauso verehrt werden wie zum Beispiel die Gründerväter in den USA.
In meinem Leben habe ich schon derart viele Debatten á la „Pop und Politik“ intern und öffentlich geführt, aufgezwungen und freiwillig, dass mich diese recht eng formulierten vier Fragen nicht wirklich inspirieren konnten, Entschuldigung dafür. Wie wäre es mit ein paar neuen Punkten..?
- Musik steht über Politik.
- Die Politik dient der Musik, nicht umgekehrt.
- Billy Bragg konnte den Brexit so gar nicht verhindern.
- Musik ist ein wilder Rodeobulle…nur ein Narr würde behaupten, ihn lenken zu können.
Es war mir eine Freude“
Status: Es ist kompliziert – der deutsche Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft
Eine ausführliche Analyse darüber, wie es um den deutschen Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft steht, findet Ihr im Essay von Torsten Groß im Musikexpress 10/2017, der am 14. September erschienen ist. Der komplette Text ist jetzt auch online nachzulesen:
Die weiteren Antworten auf unsere Fragen:
- Smudo (Die Fantastischen Vier) vor der Bundestagswahl 2017: „Rap und Hip-Hop hatten für mich etwas Befreiendes“
- Milky Chance vor der Bundestagswahl 2017: „Politik inspiriert uns nicht dazu, Lieder zu schreiben“
- Clueso vor der Bundestagswahl 2017: „Musik kann die Welt verändern, da bin ich mir ganz sicher“
- Silbermond: „Musik spricht eine andere Sprache als ein Politiker“
- Die Donots wollen gerade heraus sprechen – auch wenn’s um Politik geht
- Maurice Summens Tochter sagt: „Alle schreiben sie schöne Liebeslieder, nur mein Vater nicht“
- Frank Spilker (Die Sterne): „Wir schreiben gerne Songs, die irgendeine Relevanz haben“
- Human Abfall: „Als Künstler wird man immer als politische Person betrachtet“
- Jens Friebe über Pop und Politik: „Jedes berührende unpeinliche politische Lied ist ein Wunder“
- Bundestagswahl 2017: Culcha Candela bemühen sich um „Hits und Haltung“