Bigmouths strike again
Pack ein, Liam! Der neue Lautsprecher heißt Gustaf Noren. Glaubt man ihm, sind Mando Diao genau die Band, auf die die Welt gewartet hat.
Ingo Beckmann grinst. Selbst das Ärgernis, dass sich all die „Wichtigen“ aus der Musikbranche wieder viel zu spät angekündigt haben und die Gästeliste jetzt aus allen Nähten platzt, treibt den Target-Tourneeagenten heute nicht auf die Palme. So läuft das schon die ganze Woche. Ingos Tournee ist der Überraschungserfolg des Monats. „Außer Frankfurt – aber das war ein Montag – war jedes Konzert nicht nur einfach ausverkauft. Jeden Abend mussten Leute nach Hause geschickt werden.“ Auch heute, im Münchner Atomic Cafe, wird das nicht anders sein. Die Schlange für das kleine Abendkassen-Kontingent formiert sich schon eine Stunde vor Öffnung. Wir Sind Helden mögen heute am anderen Ende der Stadt auftreten, aber wer was auf sich hält, drängt sich in den kleinen Club in der Innenstadt. Denn hier spielen Mando Diao, der vielleicht heißeste Rock-Scheiß der Saison.
Zwei Viertel der vier Herren, um die das ganze Brimborium veranstaltet wird, dösen im Backstageraum. Gustaf Noren, einer der beiden Sänger des Rock’n’Roll-Quartetts aus der schwedischen Industriekleinstadt Borlänge, schlägt mit Drummer Samuel Giers die Zeit bis zum Auftritt tot. Auch ohne Björn Dixgard (Gesang, Gitarrel und Carl- Johan, genannt CJ Fogelklou (Bass), die sich wer-weiß-wo herumtreiben, herrscht schon gespannte Erwartung. „Bis jetzt war’s Wahnsinn, jedes Konzert brechend voll. Das haben wir nicht erwartet“, so Gustaf. „Unser Album ist hier gerade mal eine Woche veröffentlicht, und schon singen alle Leute die Texte mit. Ich meine, da läuft doch irgendwas falsch. Entweder haben die sich alte das Album per Import gekauft oder die Songs runtergeladen. „Ein Seitenhieb auf die Plattenfirma, die sich fast eineinhalb Jahre sträubte, das Debüt bring em in dem Rest der Welt zugänglich zu machen.
Samuel: „Unser Label hat weltweit alle Zentralen beschickt, aber keiner wollte es rausbringen. Dass es jetzt weltweit klappt, liegt nur an unserem Erfolg in Japan. Aber auch da lief es nicht anders. Im Sommer rief ein Großhändler an: „Was verschlaft ihr da gerade, wir haben 15.000 Platten von dieser Band über Import verkauft!’Danach erst kam das Album offiziell auf den Markt. Jetzt stehen wir in Japan kurz vor Gold.“
In der Heimat Schweden räumt das ehemalige Quintett (Gründungsmitglied Daniel Haglund wurde im Sommer aus der Band geworfen; Björn Dixgard: „Er hat sich nicht mit Haut und Haaren Mando Diao verschrieben. Außerdem sah er eh am uncoolsten aus!“) schon seit zweieinhalb Jahren ab. Ungestümer, fetziger Rock’n’Roll und nicht zuletzt das große Mundwerk der Bandmitglieder – die Jungs waren die coolste Band des Landes, noch bevor die erste Single veröffentlicht war.
Aber schnell auch eine der meistgehassten. Samuel grinst. „Das war Emmaboda, ein Indie-Festival. Wir kriegten Drohbriefe. Man wollte uns verprügeln und mit Steinen bewerfen. Vielleicht waren wir denen nicht mehr indie genug oder so was. Für uns war’s super, weil wir in jeder Zeitung s fanden. Wir sind mit Polizeieskorte zum Festival gebracht worden. Natürlich war’s dann holb so wild. Gustaf: „Hey, du weißt doch, wie es aussieht, wenn Indie-Fans Sachen werfen. Die werfen nicht mit Steinen, sondern mit… Kies! Und mit Stöckchen!“
Da ist es, das große Mundwerk. Mehr davon? Wenn Gustaf loslegt, klingt das so:
„Die Leute denken: „Ach, noch so eine schwedische Band‘, weil die Hives aus Schweden sind. Sie sagen, ’noch eine Strokes-mäßige Band‘, weil die halt kurz vor uns auftauchten. Aber: Das ist olles nur Zufall, dass eine der größten Bands der Geschichte, eine Band, wie es sie nur olle zehn Jahre gibt, in eben diesem Moment passiert, in einer Welle vergleichbarer Bands. Wir sind diejenigen, die herausragen und die übrigbleiben werden!“ Es ist eine Freude, Gustaf zuzusehen, wenn er so was sagt. Er kriegt ein Funkeln in den Augen. Man sieht ihm an: Der meint das nicht ernst – sondern verdammt ernst. Das muss diese Art Stolz sein, die Oasis einst so unbesiegbar machte. Komisch, dass deren Heimatland Mando Diao bisher links liegen ließ. „Die Engländer sind sauer, dass sie uns als letzte entdeckt haben. Dabei kommt unsere Musik aus England – Rhythm’n‘ Blues-Pop-Rock’n’Roll: Das ist englische Musik!“ Gustaf schüttelt den Kopf. „Die Firma dort will sich jetzt auf unser zweites Album konzentrieren. Im April spielen wir ein paar Gigs in England, dann bleiben wir gleich da und nehmen in Wales unser zweites Album auf.“ Die Veröffentlichung ist für den Spätsommer geplant – möglichst weltweit. Man darf Großes erwarten: „Wir haben schon über 40 Demos, und jeden Tag werden es mehr. Wir stehen jetzt unter gewaltigem Druck, aber das pusht uns nur umso mehr.“