Beverly Hills Sepp


Die Krachlederne hat er gleich mitgebracht. Selbst in der halbseidenen High Snobiety von Los Angeles mag Harold Faltermeyer auf bajuwarisches Brauchtum nicht verzichten. Trotzdem gilt der Münchner Produzent seit "Axel F." als ultra-hip und kann sich vor Angeboten kaum retten. Das geflügelte Wort "Vom Tellerwäscher zum Millionär" trifft in seinem Fall allerdings auch nicht zut Millionär nämlich war er schon vorher.

Im „Ivy“, dem Schickeria-Restaurant in Hollywood, kämpft sich Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer quer durchs Lokal, um einen jungen Burschen im Bayern-Janker zu begrüßen. Alle Köpfe drehen sich – Bruckheimers letzter Film „Beverly Hills Cop“ hat schließlich allein in Amerika 210 Millionen Dollar eingespielt. Und da wundert sich natürlich jeder, wem er da seine Gunst erweist.

Ein Tischnachbar geht sogar so weit und bohrt dem Mann im Trachtenlook den Finger in die Rippen: „Wer um Gottes willen sind Sie denn?“ Harold Faltermeyer grinst nur.

Das Gesicht ist noch unbekannt, aber seine Musik in aller Ohren. Der 33jährige Münchner hat den Soundtrack für den Kinoknüller „Beverly Hills Cop“ mit Eddy Murphy komponiert und produziert; von ihm stammen die beiden Hits auf der LP: Glenn Freys „The Heat Is On“ und die Instrumental-Nummer „Axel F“.

Durch den frappierenden Erfolg von „Axel F“ ist der Produzent/Komponist zum ersten Mal als Musiker ins Rampenlicht geraten; diese Nummer nämlich spielt er auch selbst. „Das habe ich sehr genossen, im Scheinwerferlicht…

Axel F ist fast von alleine losgelaufen, praktisch ohne Promotion. Die Discjockeys haben sofort eine Reaktion vom Publikum bekommen: ‚Ja, was ist denn das, wer ist denn das? Eine ungewöhnliche Sache …‘

Außerdem ist es für einen Komponisten einfach der Himmel auf Erden, wenn du einen Song schreibst und keinen Text brauchst, keinen Sänger — und trotzdem eine Melodie hast, die Millionen Leute fesselt.“

Folglich macht er jetzt sein erstes Album: „50 Prozent wird instrumental sein, der Rest mit Sängern. Ich versuche Glenn Frey zu bekommen, vielleicht auch Patty La Belle, die ich persönlich sehr schätze. Weißt du, so eine Platte ,Harold And Friends’… Mehr weiß ich selbst noch nicht.“

Auch die Angebote, die ihm aufgrund des „Beverly Hills Cop“-Erfolges täglich haufenweise ins Haus flattern, machen ihm Kopfzerbrechen. „Es ist schwieriger obenzubleiben, als raufzukommen“, sagt der Bayer, der auch in Hollywood seine Gemütlichkeit bewahrt hat. „Es ist schon eine gewisse Art von Druck: Hast du den richtigen Film ausgesucht, beim richtigen Projekt zugesagt…?“

„Fallermeyer ist keine Eintagsfliege“, weiß Publicity-Direktor Andy McKay von MCA Records. „Er hat eine große Zukunft vor sich. Hamid ist vielseitig, er hat Talent. Er ist Komponist, Produzent, Arrangeur und Musiker.“

Der Erfolg von „Axel P hat MCA auf den Geschmack gebracht, Faltermeyer auch als Solo-Künstler unter Vertrag zu nehmen. „Jeder in dieser Stadt will mit einem Gewinner arbeiten. Entweder wollen sie ihn als Produzenten oder als Arrangeur: oder sie möchten einen Song von ihm. Sie wollen mit ihm arbeiten, weil sie denken, daß er eine goldene Nase liat… „, erklärt seine Mitarbeiterin Laurie Kanner.

„Der Giorgio Moroder ist eigentlich Schuld dran, daß ich heule da stehe, wo ich bin“, gesteht Faltermeyer. „Mit Giorgio machte ich eine unbedeutende Disconummer; ich weiß gar nicht mehr, was es war. 1978 heuerte er mich als Arrangeur für die Filmmusik von ,Midnight Express‘ an. Giorgio wurde mit seinem ersten ,Oscar‘ ausgezeichnet — und holte mir meine ersten Lorbeeren als Synthesizer-Spezialist.“

In Musikkreisen galt Faltermeyer, damals noch in München zu Hause, als seltenes Phänomen, weil er Musiker und Techniker zugleich war.

Klavier spielte der Sohn eines wohlhabenden Tiefbau-Unternehmers schon als Sechsjähriger. An der Münchner Hochschule für Musik studierte er acht Semester Trompete und Klavier; mit 16 arbeitete er zum ersten Mal im Plattenstudio. „Ich war aus der Schule raus — und das Semester an der Musikschule begann erst ein halbes Jahr später. Mein Vater meinte: ,Du wirst mir nicht so lange rumgammeln. Du tust irgendwas!‘ Und da hat er mich in das Polydor-Studio gesteckt. An meinem ersten Tag lief im Studio eine Session mit Max Greger; so ein Glenn Miller-Album. Da habe ich erst mal Kabel gereinigt, Drinks ßr Max Greger und Konsorten geholt und zugeschaut …“

Parallel zum Musikstudium arbeitete er als Tontechniker, entwickelte sich zum Toningenieur, schrieb die ersten Nummern. Und machte seine ersten eigenen Produktionen: mit Wencke Myhre, Roy Black, Katja Ebstein.

„Kleinere Sachen. Ich hab die Musik für Rex Gildos Hit, ‚Tue es noch einmal‘ geschrieben. Es ging immer konstant nach oben, die ganze Sache. Aber einen riesengroßen Erfolg mit deutscher Schlagermusik hab ich nie gehabt. Immerhin war ich profiliert als Arrangeur in München. Mein Name stand für Qualität.“

1979 holte ihn Moroder nach Amerika. Davon hatte er immer geträumt. Die ersten Eindrücke: „Ich war zuerst ein bissl unsicher. Die Studios, wo die großen Gruppen die irrsten Platten gemacht haben — das waren heilige Hallen ßr mich. Und plötzlich war ich mitten drin! Aber ich hab mich schnell akklimatisiert, nachdem ich gesehen habe, daß man hier mit offenen Armen aufgenommen wird. Wenn du dein Zeug beieinander hast, wenn du was draufhast, wenn du was kannst, dann hast du hier auch deinen Platz. Gar keine Frage. Mich hat hier jeder für voll genommen, vom ersten Moment an. Das war toll. „

Für Moroder spielte er Keyboards, arrangierte Donna Summers BAD GIRL-Album und komponierte den Hit „Hot Stuff. Er arrangierte die Filmmusik von „American Gigolo“, wollte dann aber wieder mal was in Deutschland probieren. Udo Jürgens fragte an: „Hast du Lust, mit mir eine Platte zu machen ?“

„Udo Jürgens war ein Name, der mich reizte, auch weil es meine erste eigenständige Produktion sein sollte. Udo sang in Englisch, auch wenn die Platte in den USA nie erschien. Udo war in Amerika einfach nicht einzuordnen, nicht zu kategorisieren …, selbst in Europa war diese Scheibe allerdings nur ein mittelmäßiger Erfolg.“

Anschließend arbeitete er mit Laura Branigan, diesmal als Arrangeur. „Danach hab ich ein halbes Jahr nicht ernsthaft gearbeitet; mir hat einfach der Kick gefehlt. Viele Leute haben mir geraten, ich solle meine eigene Synthesizer-Platte machen. Aber die auslösende, zündende Idee war halt nicht da.“

Im Frühjahr ’84 rief Giorgio Moroder wieder an: „Du, ich hab ein Filmangebot, aber ich möchte es nicht machen. Hast du Lust?“

Klar! Moroder führte Faltermeyer beim Produzenten-Team Jerry Bruckheimer/Don Simpson ein. Faltermeyer lieferte den Soundtrack für „Thief Of Hearts“. „Die haben meine Arbeit geliebt und mich dann gleich ßr ,Beverly Hills Cop‘ angeheuert.“ Und das war der Break. Seither rennt man ihm die Türen ein.

HAROLD FALTERMEYER

Wie etwa Donna Summer. Für sie produziert er vier Songs ihres neuen Albums. 1979 hatte er zum ersten Mal mit ihr gearbeitet — als Mitarbeiter ihres „Erfinders“ Giorgio Moroder. Sechs Jahre später ist er ihr Produzent: „Es ist ein gutes Gefühl wenn man es geschafft hat, auch alleinverantwortlich zu arbeiten. „

Donna sei die gleiche geblieben, sagt er. „Wir haben uns immer gut verstanden. Sie ist sicherlich reifer geworden. Nach der Trennung von Giorgio hat sie Erfahrungen mit Produzenten wie Quincy Jones und Michael Omartian gesammelt. Sie geht heule anders ans Werk; sie ist sehr gut orientiert, was momentan gerade läuft. Sie ist nicht nur auf ihre Musik fixiert. Sie kennt alle Hits.“

Momentan treffen sich die beiden regelmäßig, um gemeinsam Songs zu schreiben. Wie geht das vor sich?

„Erst ratschen wir über Kücheneinrichtungen oder ähnlich tiefschürfendes Zeugs — und dann geht’s langsam los. Dann singen wir a bissl, und plötzlich wird improvisiert. Dann muß natürlich jemand da sein, der die Fäden in der Hand hält — und in diesem Fall bin ich das. Ich sitze am Klavier, sie singt, es ist ein gegenseitiges Hochschaukeln. Der eine hat eine Idee, der andere greift sie auf Ich verwirkliche die Melodie …“

Donna braucht Hits und Faltermeyers begehrten Sound. Was ist das Besondere an diesem Sound?

„Mein Gott“, lacht er, „die Technik macht Fortschritte. Das Klangbewußtsein der Leute ändert sich, genau wie die Mode, der Geschmack, sich ändert. Es gibt neuartige Synthesizer, neue Wege, Platten aufzunehmen. Die Mischungen werden immer raffinierter. Du bekommst immer mehr Möglichkeiten, neue Sounds durchzusetzen. Man komponiert ganz anders als vor sechs, sieben Jahren. Es liegt an den Instrumenten, an der An des Arrangements. Das alles trägt zu meinem spezifischen Sound bei. Dieser Sound ist einmalig — und folglich rufen diverse Leute an … “ Von Rod Stewart zu George Lucas, um nur ein paar Größen zu nennen.

Wie sieht er den Trend für die nächsten Jahre?

„Wenn ich das wüßte, wäre ich Multimillionär. Ehrliche, gradlinige Musik wird sich weiterhin durchsetzen. Gleichzeitig wird die Produktionsqualität unerahnte Höhen erreichen; neue Instrumente, digitale Aufnahmetechnik …“

In Hollywood fühlt er sich integriert, nicht als Zuschauer: „Wenn ich hier bin, bin ich mittendrin. Da hab ich auch das Gefühl, daß ich jedesmal einen kreativen Adrenalinstoß bekomme.“

Harald bewohnt ein Appartement am Sunset Boulevard. Permanent aber will er nicht nach Los Angeles ziehen. Warum nicht?

„Weil ich gebürtiger Bayer bin und dieses Land über alles liebe. Zweitens hab ich die Familie dort. Und die Kombination Deutschland/Amerika ist eine interessante und reizvolle Abwechslung für mich.“

Wenn man Faltermeyers Heim außerhalb von München besucht, wird einem vielleicht klar, wovon er redet. Er lebt mit seiner Familie (Eltern, Großmutter, Bruder und Ehefrau Karin) auf einer Art bayrischen Southfork Ranch mitten im Wald. Hier ist er aufgewachsen, hier ist sein Zuhause. Hier trifft man den Produzenten nur in Lederhosen an. Jagdhund Wenzel von Wendelstein weicht nicht von seiner Seite.

Harold Faltermeyer lebt zwei Leben: ruhig in München — und im verrückten Los Angeles mittendrin. „Gibt mir einen unglaublichen Kick“, sagt er. „die beautiful people, die Parties, die schönen Restaurants. Zu Hause in München leb‘ ich ein relativ zurückgezogenes Leben. In Deutschland nehme ich am Branchen-Rummel nicht so teil, wie ich es in Los Angeles tue. „

Hier in Bayern tankt er auf: auf der Jagd, beim Golfspielen, beim Skifahren, beim Angeln, beim Tennisspielen, beim Fliegen. „Ich arbeite sehr kondensiert: vier Wochen lang wie ein Verrückter, Tag und Sacht; dann wieder eine Zeitlang überhaupt nicht, um seelisch aufzutanken. „

Willy Bogner ist es allerdings gelungen, Harold auch in München zum Arbeiten zu verführen. „Willy hat mir vor einem halben Jahr seinen Skifilm .Feuer auf Eis‘ gezeigt; der Film war noch im Rohschnitt. Von der Ston war ich nicht sonderlich angetan, aber die Ski-Szenen waren phänomenal. Ich bin schließlich selbst Skifahrer. Also hab ich einen Titel geschrieben und ein Demo gemacht. Willv war begeistert.“

Sein nächstes Filmprojekt ist „TOP GUN“, ein Streifen über amerikanische Kampf-Piloten. „Es handelt sich um junge Leute, die vielleicht 24, 25 Jahre alt sind und zu den besten Piloten der Welt zählen. Aber mit 24 ist man nicht reif genug, um den Job richtig zu meistern. Der Film zeigt die jungen Typen mit ihren pubertären Problemen, die ein 40 -Millionen -Dollar-Flugzeug fliegen und mit einem Knopfdruck die globale Katastrophe auslösen könnten. „

Faltermeyer ist fasziniert von dem Thema; er ist selbst begeisterter Flieger.

„Ich war auf der Airforce Base, wo gedreht wurde, und habe mich zum Spaß auch mal in eine F14 gesetzt. Im Simulator haben sie mich fliegen lassen. Das waren die aufregendsten Momente in meinem Leben. Ich sollte eine Nachtlandung auf dem Flugzeugträger machen — was natürlich voll daneben ging. Wenn man anfliegt, ist der Flugzeugträger so klein wie eine Briefmarke. Wie ein Kind hab‘ ich dringesessen und gesagt: „Bitte nochmal, bitte nochmal‘.“

Faltermeyer weiß das Leben zu genießen. Er kommt aus wohlhabendem Haus und könnte sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Was treibt ihn an?

„In mir steckt eine kreative Zelle, die sich artikulieren will. Auch wenn ich noch so viel Geld verdienen sollte, würde ich immer weitermachen, einfach weil ich was zu sagen habe …“