Beth Gibbons & Rustin Man


Hamburg, Delphi Showpalast

Fast zu schön, um rezensiert zu werden: Beth Gibbons und Rustin Man Paul Webb nageln Herzen an den Boden.

Der Redakteur hat gesagt, ich soll einen Bericht über das Hamburger Konzert von Beth Gibbons schreiben. Das geht leider nicht. Darum: Kennen Sie das, wenn Sie aus einem Konzert kommen, und mit niemandem, wirklich niemandem darüber reden wollen? Weil Worte das Geschehene nicht erreichen können? Weil jeder Satz wie Schmutz wirkt angesichts der Größe dessen, was Ihnen da gerade das Herz an den Boden genagelt hat? Kennen sie das? „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“, sagte einst der Dichter E.T.A. Hoffmann und trifft den Autor auf den Kopf. Wer wollte noch reden, als Beth mit gebeugten Schultern vorm Mikro hockte und sang, wie nur sie es kann? Wer wollte noch versuchen diese Klänge zu beschreiben, als die sieben Musiker mit Akustik-Gitarren, Violine, Akkordeon, Jazz-Besen und Harmonium akustische Filme ausbreiteten die, nun ja, unbeschreiblich waren? Oben an der Decke des leer geräumten Theatersaales blinkten kleine Lämpchen wie Sterne. Die Musiker waren in sanftes Licht getaucht – rot, blau, grün. Die Leute hatten Angst zu klatschen, und taten sie’s dann doch (wenn der allerletzte Ton verhallt war), hörten sie nicht mehr auf. Beth stammelte „Dankeschön“ und lächelte scheu. Sie gibt keine Interviews, weil sie sagt: „Ich habe nichts zu sagen.“ Sie singt. Und alles ist so perfekt, so nah, so rein und offen, dass es in seiner Unmittelbarkeit fast schmerzt. Operation am offenen Herzen. „Musik ist der Dosenöffner der Seele“, sagte einst Henry Miller. Ja! Ja! Ja! Seit Wochen war dieses Konzert ausverkauft. Dass es eine Messe werden würde – klar. Aber das? Das war ein Hochamt in der Sixtinischen Kapelle! Zum Schluss stolperte Beth, ungläubig lächelnd ob des brausenden Beifallgetoses, zurück auf die Bühne, sang Velvet Undergrounds „Candy Says“ und sprach: „I’m sorry for my last time in Hamburg. I drank too much!“ Damals war sie trunken von der Bühne gefallen. Jetzt ging sie nüchtern, und es blieb ein Ziehen in der Magengegend, das drei Wodka nicht vertreiben konnten. Und wenn mich jetzt noch mal jemand fragt, wie dieses Konzert war: Sollen es doch andere erzählen. Ich kann leider nicht. www.bethgibbons.com