Berni Mayer im Interview: „Ich will keine Popliteratur, ich will Abgründe“
Romanautor und Musikbranchenkenner Berni Mayer im Interview über schlechte Manuskripte, Kumpel Markus Kavka, rechte Norweger und seine Krimi-Trilogie um die Popdetektive Max Mandel und Sigi Singer.
Oslo Kaffebar in Berlin-Mitte. Vorne wird starker Kaffee gebrüht, hinten läuft José Gonzalez. Berni Mayer lebt und arbeitet zwei Straßen weiter, das rustikal-karge Café scheint wie gemacht, um über seinen zweiten Roman zu sprechen: „Black Mandel“ erzählt die hanebüchene Kriminalgeschichte der Ex-Musikjournalisten Max Mandel und Sigi Singer, die sich nach einer durchzechten Nacht in einem Komplott der norwegischen Black-Metal-Szene wiederfinden und den verschwundenen Sänger der Band Dark Reich suchen.
Wie schon Mayers Debütroman „Mandels Büro“, von dem eine Hörspiel-Umsetzung geplant ist, ist „Black Mandel“ ein herrlich komischer Detektiv-Krimi voller Popreferenzen, Quasi-Buddymovie und Roadtrip sowie Teil einer Trilogie: Der dritte Teil „Der große Mandel“ soll im Mai 2014 erscheinen und diesmal nicht im Musiker-Milieu spielen. Wir sprachen mit Berni Mayer, Ex-Onlinechef von MTV und Viva, über seine Schriftstellerei, rechte Norweger, den Krimi als Pop-Format und die deutsche Wrestlingszene.
Musikexpress.de: Von der Musikbranche in die Schriftstellerei: Du bist kein Freund der sicheren Jobs, oder?
Berni Mayer: Ich hatte eigentlich Lehramt studiert – die Musikbranche war anfangs entsprechend ein Traumjob: ich, ohne Praktikum, plötzlich als Pionier in den neuen Medien. Bei MTV wurde mir anfangs zuviel geredet und zu laut Musik gehört. Ich komme schließlich aus der Provinz. Ich brauchte anderthalb Jahre um mich in der Medienbranche einzuleben. Ich kam mir immer vor, als führte ich eine Doppelexistenz. Zuhause fühle ich mich dort übrigens bis heute nicht.
Wechseltest Du deshalb ins schriftstellerische Fach?
Berni Mayer: Nein, das war nur Zufall. Ich habe während meiner Münchner MTV-Zeit schon geschrieben, hatte ein Manuskript sogar an Agenturen verschickt. Das wurde abgelehnt, drei- oder viermal. Ich blieb also weiter in der Musikbranche und fing an zu bloggen, als ich nach Berlin zog.
Online hast Du damals auch die Webshow „Kavka vs. Web“ produziert, auf der nun Deine Romanfiguren basieren.
Berni Mayer: Statt einer weiteren Comedyserie, wie wir es auf MySpace hatten, wollte ich etwas Szenisches. Die Dynamik, die Musik, der Klamauk – „lass uns das in eine Detektivserie übertragen“, sagte ich. „Müllers Büro“, der österreichische Spielfilm von Niki List, war das Vorbild. Die Produktion wäre aber zu teuer geworden. Also lag die Idee in der Schublade, bis mein späterer Agent sagte: Das ist eine Killeridee, mach’ da mal einen Roman draus.
Die Grundidee stammt also von Markus Kavka und Dir?
Berni Mayer: Die Idee ist meine, aber wir hatten gemeinsam diesen Sketch gedreht, Loserdetektiv vs. Chefdetektiv. „Kavka vs. the Web“ war auch seine Show. Meine Aufgabe als Autor und Sidekick war, ihn cool aussehen zu lassen. So auch die überspanntere Holmes-Watson-Dynamik im Buch: Sigi Singer ist der Underdog. Und Mandel ist, so locker er auch wirkt, überstrahlt davon, wie der Sigi ihn sieht. In Wahrheit ist der Mandel bestimmt nicht so souverän und ein ganz traumatisierter Mensch. Sigi kann das nicht sehen, weil er sich an seinem Idol festklammert und sein ganzes Versagen an dem Vorbild festmacht. Eine Dynamik einer ungleichmäßigen Freundschaft, in der man nicht richtig kommuniziert und die früher oder später scheitern muss.
Davon lebt auch der Roman, mehr noch als von seiner Geschichte.
Berni Mayer: Die Figuren kommen zuerst. Ich hatte schon nach 30 Seiten herausgestellt, dass ich eine Geschichte von Freundschaft erzählen wollte. Das Vehikel Kriminalroman kommt mir da entgegen. Du hast darin eine Legitimation, irre Sachen passieren zu lassen. Morde, Zerstückelungen, Kirchenbrände, das ganze Zeug. In einem Coming-Of-Age- oder Popliteraturstück geht das nicht, es wäre unglaubwürdig. Ich wollte aber, dass die Charaktere an Abgründe herangeführt werden. Und dafür brauchte ich die Legitimation eines Kriminalromans.
In beiden Büchern fallen konkrete Pop-Referenzen auf – statt Borchardt etwa heißt das Berliner Nobelrestaurant in Deinen Romanen Poschardt, wie der Journalist; der ehemalige Arbeitgeber von Mandel und Singer heißt Rock’n’Roll Express, fast wie wir. Schlechte Erfahrungen mit den Vorbildern?
Berni Mayer: Nee. Das sind nur Platzhalter um sich juristisch abzusichern und um höflich zu sein. Steht ja nichts Schlechtes über das Magazin drin. Einer schrieb mal über mein erstes Buch, dass der Autor faul sei, weil ich Universal Records Global Records nannte. Ich finde es lustig, so faul zu sein und was Naheliegendes zu nehmen.
Keine weiteren Absichten?
Berni Mayer: Ich wollte nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Ich wollte ein Milieu, das von Haus aus durch merkwürdige Dialoge auffällt und rhetorisch verhaltensauffällig ist – das sieht man an dem A&R im ersten Buch.
Ein anderes Milieu in Deinen Romanen ist die rechte Szene. Was fasziniert Dich daran?
Berni Mayer: Nix. Es ist schon ein Politikum, dass viele der Black-Metal-Fans auch rechts sind, aber ich erwähne das nur kurz. Um mich dezidiert damit auseinanderzusetzen hätte ich den Roman noch hundert Seiten länger machen müssen. Ich setze also eher ein Statement, das vom Sigi kommt: Schon wieder sowas Braunsoßiges, brauche ich eigentlich nicht.
Hast Du Dich für die Recherche mit Rechten unterhalten?
Berni Mayer: Nein.
Warum nicht?
Berni Mayer: Weil ich mit den Leuten nichts zu tun haben will. Das sind im ersten Teil Platzhalter für eine Farce. Beim Black-Metal-Thema liegen Licht und Schatten näher beisammen. Da habe ich Bücher gewälzt und Filme geguckt. Ich habe niemanden an die Strippe bekommen, aber vier Monate ausschließlich über die Szene recherchiert. Eine Woche davon war ich in Bergen und habe mit Leuten gesprochen, die mit der Szene in Berührung waren.
Warum Bergen?
Berni Mayer: An Bergen mochte ich, dass die Stadt so eingekesselt ist. Hier die Berge, da das Wasser, da eine Halbinsel und überall Fjorde. Man kommt kaum da hin, in diese Abgeschiedenheit, wie am Ende der Welt. Und Black Metal habe ich gewählt, weil ich wieder ein Musikthema wollte und weil die Szene eine reiche und oft rechte Kriminalgeschichte hat. Du musst nicht viel erfinden, da ist wirklich viel passiert in den Neunzigern.
Im dritten Teil sollen Mandel und Singer in der deutschen Wrestlingszene ermitteln.
Berni Mayer: Ja, aber das wird anders, ganz anders. Es geht um Wrestling, es geht aber auch um Gastronomie und um Kleinstädte. Und zentraler denn je um die Freundschaft. Und ums nach Hause kommen.
Bela B lobt im Klappentext „Black Mandel“ mit dem Wunsch, man sollte das Buch verfilmen. Gibt es Gespräche?
Berni Mayer: Ich wurde schon öfter darauf angesprochen. Auch Leute aus der Filmbranche erzählen mir, dass das Superstoff wäre. Aber dafür müsste jemand mal Geld in die Hand nehmen, und das ist ein sehr langwieriger Prozess.
Und es wäre eine schöne Ironie – schließlich wolltest Du aus der Geschichte ursprünglich eine Webserie machen.
Berni Mayer: Ja, ich würde einer Verfilmung auch sicher nicht im Weg stehen. Ich glaube, dass das langfristig passieren wird.
Mit Dir und Kavka in den Hauptrollen?
Berni Mayer: Nein, lieber nicht. Wir passen beide nur als Platzhalter für die Trailer. Ich habe keinen deutschen Schauspieler vor Augen, obwohl: der Moritz Bleibtreu kann ja von Göring über Hitler bis Veronica Ferres alles spielen. Der wäre bestimmt ein ganz guter Sigi. Aber der Mandel, das ist eher so der Typ Gabriel Byrne. Wenn der Deutscher wäre, wäre er ein verdammt guter Mandel. Der perfekte Mandel.
„Der große Mandel“ von Berni Mayer erscheint 2014.