Berliner Rockzirkus – München, Schwabinger Bräu
Nicht ein Lied ging hier auf Reisen, sondern gleich fünf Gruppen aus einer Stadt und die Neugierde war groß. So voll hat man den Schwabinger Bräu in München schon lange nicht mehr gesehen. Viele hatten natürlich hinter dem Etikett Berliner Szene eine ganz bestimmte Musik vermutet und erwartet: die sagenhaft originelle und radikale Neue Deutsche Welle. Und deshalb gab’s auch Enttäuschungen. Tempo etwa, die den langen Abend in Schwung bringen sollten. In einem kleinen Club können sie das sehr gut, aber ihr Ramones-Rock’n’Roll war nicht so aufregend, lediglich das Saxophon von Bobby Sommer sorgte für Abwechslung. Der kam dann auch für einen Song der Ideal nochmals auf die Bühne.
Nette, kollegiale Gesten konnte man erfreulicherweise noch öfters sehen. Auf unnötiges Konkurrenzdenken wirkt sich so ein gemeinsames Unternehmen sicher positiv aus. Ideal brachte das Publikum schnell auf die Beine. Ihre natürliche, fröhliche Ausstrahlung vermittelte den Spaß, den die Band selbst beim Auftritt hatte. Und ihre rundwegs unterhaltsamen Gassenhauer laden ja geradezu zum Mitmachen ein. Die konkreten, lebendigen und witzigen Großstadtsongs sind allesamt Ohrwürmer, „Irre“, ganz toll, wenn Annette das R so rollt, das Pseudo-Grusical „Telepathie“, sehr komisch, wenn Bassist Uli Deuker im Schmidtchen-Schleicher-Schritt über die Bühne huscht oder Gitarrist Eff Jott Krüger „Hundsgemein“ kreischt. Ein fabelhafter Kontrast zu Annettes Frechheit, die der sprichwörtlichen Berliner Göre gerecht wird. Ein neues Lied gab’s auch, „Feuerzeug“, wieder ein trivialer, sentimentaler Titel, der für Ideal ideal ist.
Danach konnte für die unbefangenen Insisters eigentlich nichts mehr schiefgehen. Sie musikalisch einzuordnen, ist wirklich schwer. Die Mädchenband mischt einfach zwanglos alle durcheinander, ist sprunghaft, wohl auch noch nicht ganz so fertig, aber sehr amüsant und aufregend. Wenn sie deutsch singen, klingt es charmanter, der „Subkultur-Reggae“ etwa, die B-Seite ihrer ersten Single, war sehr originell. Musikalisch sanft, aber inhaltlich ziemlich hart. Der antiautoritäre Dilettantismus war jedenfalls spontaner als der Morgenrot-Auftritt. Da zeigte sich zum ersten Mal das Problem dieser Package-Tournee. Ein Teil des Publikums, das sicher normalerweise kein Morgenrot-Konzert besuchen würde, reagierte unwillig. Ehrlich gesagt, wirkte der herkömmliche Rock mit den gängigen Heavy-Metal-Klischees auch etwas deplaziert. Plötzlich war da die Grenze von Bühne und Publikum ganz deutlich. Noch mehr verschreckte aber Z, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte. Zu vertrackt und chaotisch fand ich diese Mischung aus aggressivem Früh-Punk, Reggae-Rhythmen und wild arrangierten Zwischenteilen. Die Stimmung, die schon bei Morgenrot gesunken war, wurde ziemlich desolat. Aber nach einem Mammutprogramm von fast 5 Stunden Musik geht eben gar nichts mehr, nicht mal beim bereitwilligsten Fan. Auch eine Uberdosis Musik führt zu einem Kater.