Bedeutungshuber und portugiesische Tristesse – die Alben der Woche vom 22.-27. Oktober
Die Alben der Woche: Diesmal mit Moullinex, Hans Unstern und Kylie Minogue.
Album der Woche: Moullinex – Flora
Mit geschmeidigem Disco-Funk hat dieser Newcomer sein Debüt genau richtig bepflanzt. Lassen Sie sich bloß nicht vom Anblick dieses Mannes täuschen! Luis Gomes steht der Jubel auf dem Cover seines ersten Albums wahrlich nicht ins Gesicht geschrieben, aber das ist nicht verwunderlich. Der Mann ist Portugiese, also Angehöriger der mit Abstand traurigsten südeuropäischen Nation. Damit er nicht immer auf die weite See hinausschauen muss, die seine Vorfahren einst eroberten, haben ihn die guten Menschen von Gomma zu sich nach München geholt. Im Zentrum der deutschen Discomusic hat Gomes schnell dazugelernt. Er hat sich seine südländisch entspannte Art bewahrt, sie in seine unverschämt geschmeidigen 80s-Funk-Tracks transferiert und dazu ein Pop-Element eingebaut, das an Penguin Prison oder im Fall von „Tear Club“ auch an Yeasayer denken lässt. verschachtelten Klackerbeats. Albert Koch
Anstam – Stones and Woods
Die Klammer, die diesen vermeintlichen Mischmasch aus Jungle-Breaks, Bassmusiken, 90er-Jahre-IDM und dem düsteren Ambiente von Industrial zusammenhielt, war ganz klar der Wille zum Experimentieren. Und das führt nahtlos zu Stones And Woods. Da wird ein Stück Ambient dezenten Atonalitäten unterworfen („Morning Shiver Down The Black Wood River“) und mutiert im Verlauf der restlichen Spielzeit zu einer Art Trance light. Da gibt es chillwavige Synthflächen zu verschachtelten Klackerbeats. Albert Koch
Brasstronaut – Mean Sun
Dead Fingers Dead Fingers
Ey! Müssen sich Bands eigentlich vertraglich gegen Etikettierung wehren? In diesem Fall ist es besonders absurd. Dead Fingers ist von der ersten bis zur letzten Sekunde genau das: Country-Rock’n’Roll, Folk, Americana, kommt erfreulicherweise ohne den Schwulst der artverwandten Civil Wars aus und verzichtet auf das Lounge-Element, das She & Him meinten, sich zulegen zu müssen. Was bleibt, sind wohltemperierte Songs, die sich freilich an einem Setzkasten bedienen, aber ebendiesen Kasten in- und auswendig kennen. Zwar wird das Wahrnehmen von Hollingsworths Singstimme, die in etwa wie eine geschnalzte Gitarrensaite klingt, immer mit einem Schmunzeln einhergehen müssen, das macht die Auseinandersetzung mit dieser ohnehin schwungvollen Musik allerdings nur noch lebhafter. Stephan Rehm
Ecke Schönhauser – Input
Fanta Dorado und Der Innere Kreis – Fanta Dorado und Der Innere Kreis
Im inneren Kreis wird auf jeden Fall Popmusik gespielt, besser noch, verhandelt: Was kann ich heute mit der Elektronik von gestern sagen? Es ist eher Pop im Sinne von Palais Schaumburg und Holger Hiller, so weit die elektronischen Füße ihn tragen, spinnt Szymanski mirakulöse Mini-Geschichten, die von traurigen Königinnen, Röhrentälern und dem Tachyonen-Mann erzählen. Frank Sawatzki
Calvin Harris – 18 Months
Kreayshawn – Somethin ‚Bout Kreay
Madness – Oui, Oui, Si, Si, Ja, Ja, Da, Da (Digipack)
Kylie Minogue – The Abbey Road Sessions (Limited Edition)
Of Montreal Daughter Of Cloud
Hans Unstern – The Great Swindle
Es gibt dann doch noch einen überraschend praxisorientierten, gar nicht mysteriösen, vollkommen unverschlüsselten Moment auf The Great Hans Unstern Swindle. „Klaut dieses Album nicht online!“, empfiehlt der Künstler ganz zum Schluss dem Hörer. „Klaut es im Kaufhaus, hinterlasst weniger Spuren!“ Ansonsten aber ist dieses zweite Werk des in Berlin ansässigen Sängers, Musikers und großartigen Bedeutungshubers sogar noch einmal sperriger geraten als das Debütalbum Kratz dich raus. Thomas Winkler
Martha Wainwright – Come Home To Mama
Martha Wainwright zieht bestimmte Vokale so in die Länge, bis eine eigene Sprachmelodie entsteht. Sie soll in ihrer Jugend viel Cyndi Lauper gehört haben, das bestätigt sich hier. Ihre Stimme ist toll, wirkt nie überdreht oder exzentrisch. Überhaupt macht Wainwright trotz aller Probleme einen gelassenen Eindruck. Klar: Wenn Mama den Nachwuchs oder wen auch immer zu sich locken will, darf sie nicht zu rabiat sein. Thomas Weiland
Neil Young & Crazy Horse – Psychedelic Pill