Aus der Musikexpress-Ausgabe Dezember 2005: Adam Yauch über Religion


MCA, Rapper und Bassist der Beastie Boys, wuchs mit jüdischen Bräuchen auf, entdeckte aber auf einer Nepal- Reise den Buddhismus. Er engagiert sich seit Jahren für die Befreiung von Tibet und traf mehrmals den Dalai Lama.

Mit Adam Yauch, hört man bisweilen, könne man durchaus ein ernsthaftes Gespräch fuhren – sofern ihn das Thema interessiert. Anlass für das Interview ist allerdings Solid Gold Hits, eine neue Best-Of-Compilation der Beastie Boys, die, wie sich herausstellt, wenig geeignet ist, Yauch zum Reden zubringen. „Ein bißchen komisch „sei es gewesen, murmelt er lustlos, ein Greatest-Hits-Paket zusammenzustellen, nachdem man vor sechs Jahren erst so viel Arbeit in die anthology gesteckt hatte. „Sinnlos eigentlich“, fügt er hinzu und läßt ein langes Schweigen folgen. ME schlägt vor, ein Themeninterview zu führen und erläutert, daß wir für diese Rubrik in den letzten Monaten zum Beispiel mit Krist Novoselic über „politisches Engagement“ und mit Jeff Tweedy über „Kritik“ gesprochen haben. „Moment“, unterbricht Adam Yauch, Jeff Tweedy? Unser Baß-Techniker?“ Äh, nein. Jeff Tweedy von Wilco. „Oh“, sagt er, „na gut. Religion? Warum nicht? Wir können es versuchen.“

Glaubst du, daß Religion heute eine bedeutende Rolle in der Politik spielt?
Hm. Ich schätze schon. Ich hab auf jeden Fall den Eindruck, daß Religion auf ganz ungute Weise die amerikanische Regierung beeinflußt.

Hat religiöse Philosophie überhaupt einen Platz in der Politik?
Das hängt von vielen Faktoren ab, kann prinzipiell aber schon funktionieren. Ein positives Beispiel wäre die tibetische Regierung: Viele der politischen Führungskräfte arbeiten dort nach dem [buddhistischen] Grundsatz, jedem Lebewesen immer respektvoll zu begegnen. Ein gutes System. Wenn man religiöse Glaubensinhalte auf so einen wesentlichen Punkt reduziert und sich danach richtet, kann das viel Gutes bewirken. Aber meist wird ja die religiöse Philosophie verdreht und fehlinterpretiert. Und das kann dann schnell verheerende Auswirkungen haben.

Du hast den Dalai Lama getroffen, der in Tibet die höchste religiöse Autorität und gleichzeitig oberster Staatsmann ist. Ein radikales Konzept.
Ja. Und meiner Ansicht nach funktioniert das in manchen Bereichen, in anderen aber nicht. Ich hab ein paarmal mit ihm gesprochen, weiß aber nicht mehr genau, über was. Er hat viel Charisma, aber es ist schwer zu erklären, was genau an ihm so beeindruckend ist.

Nach Gesprächen mit George W. Bush im Juni 2003 zitierte der palästinensische Politiker Nabil Shaath den US-Präsidenten wie folgt: „Ich habe eine göttliche Mission. Gott hat mir gesagt: „George, zieh los und finde diese Terroristen in Afghanistan!“ Und ich habe es getan. Dann hat mir Gott gesagt: „George, beende die Tyrannei im Irak. Ich habe es getan.“ Meint Bush das ernst?
Ja. Wenn du einen Irren wie Bush im Weißen Haus hast, einen religiösen, rechten Geisteskranken, dann kannst du davon ausgehen, daß seine Entscheidungen durchaus von seinen religiösen Überzeugungen beeinflußt sind.

Aber ist das ein aufrichtiger Glaube?
Oh ja. Der ist aufrichtig. Sicher war Hitler auch irgendwie aufrichtig. Aber das hat ja nichts damit zu tun, daß man nicht gleichzeitig auch geisteskrank sein kann. Der Mann ist definitiv nicht ganz klar im Kopf. Und er hat in der Tat total verdrehte religiöse Vorstellungen …

… mit denen sich viele Leute offenbar identifizieren können.
Es gibt so viele Verrückte in diesem Land, (lacht) Warum ist es für viele Leute so erstrebenswert, einen sehr religiösen Präsidenten zu haben? (lange Pause) Ich kann mir das nicht erklären. Ich kann es kaum fassen, daß er wiedergewählt wurde. Wobei natürlich eine andere Frage ist, ob er wirklich [von einer Mehrheit] wiedergewählt worden ist, oder nicht. Aber warum ist er immer noch so populär? Das verwirrt mich.

Hoffen die Menschen, daß ein glaubiger Präsident eine intakte Moral besitzt?
Die Leute freuen sich vielleicht, daß plötzlich alles so einfach ist. Bush kann ihnen die ganze Welt erklären: Alles ist entweder gut oder böse. USA: gut. Terroristen: böse. Das hat schon was.

Was das Name-Dropping von Gott angeht, stehen viele Rapper George W. Bush um nichts nach. Warum lassen so viele HipHop-Stars keine Gelegenheit aus, von Gott zu sprechen?
(lacht) Eine interessante Frage. Keine Ahnung.

Einige Rapper wie Ice Cube und KRS-One bekennen sich zu der Organisation „Nation of Islam“.
Das ist richtig. Da kenn ich mich aber nicht so gut aus, obwohl ich in einem arabisch geprägten Viertel in Brooklyn aufgewachsen bin. Gleich um die Ecke war eine Moschee.

„Nation of Islam“-Mitglieder sind bisweilen wegen anti-semitischer Äußerungen in die Kritik geraten. Professor Griff von Public Enemy, der der Organisation nahe stand, vertrat 1989 in einem Interview mit The Washington Times die These, daß die „Mehrheit der Juden“ verantwortlich sei für „die Mehrzahl der Schweinereien auf dieser Welt“.
Ja, das war ziemlich unglaublich. Wir waren zu der Zeit mit Public Enemy auf Tour und mit Griff eigentlich befreundet. Ich hab eigentlich immernoch freundlichen Kontakt mit ihm.

Habt ihr je über die Sache gesprochen?
Nein. Und wer weiß, was er wirklich gesagt hat? Vielleicht wurde das in der Presse verdreht.

Sind unter deinen Freunden Muslime?
Ja. In New York ist das nicht ungewöhnlich.

Seit dem 11. September müssen Muslime vermehrt gegen Vorurteile kämpfen. Ist dir als Jude diese Situation vertraut?
Nach den Anschlägen mußten Menschen aus dem Mittleren Osten in dieser Hinsicht viel ertragen. Und ja, ich spüre immer wieder auch Tendenzen von Antisemitismus. Sehr unterschwellig. In New York aber ist das eher selten.

Identifizierst du dich mit dem Judentum?
Ich weiß nicht so recht. Kulturell schon. Die Familie meiner Mutter ist jüdisch, und wir haben ein paar Bräuche eingehalten. Die Lehre aber hab ich nie studiert. Auch Adrock und Mike D kennen sich nicht wirklich gut mit den religiösen Inhalten des Judentums aus.

Du hast die Quaker-Schule „Brooklyn Friends“ besucht, die sich auf die Fahne schreibt, „Quaker-Werte“ zu vermitteln. Wie muß man sich das vorstellen?
Gewaltlosigkeit und Mitgefühl waren zentrale Themen. Und morgens gab es eine Art Meditation.

Praktizierst du heute noch Meditation?
Manchmal. Nicht so häufig, wie ich sollte.

Was dir an der Schule weniger gut vermittelt wurde, war das Lesen und Schreiben…
Ich weiß nicht, ob das am System oder an mir lag. Ich komme schon ganz gut zurecht, aber ruf mich nicht an, wenn es darum geht, einen Roman zu redigieren … (lacht)

Diese Interview ist unserem digitalen Archiv DAS ARCHIV – Rewind entnommen, mit mehr als 100.000 Artikeln aus über 1000 Heften seit 1969.