Aus dem Internet für das Internet: Wie DAS NEU das klassische Bandkonzept sprengen
Musikvideos als Instagram-Story, passwortgeschützte Gruppeninfos und eine undurchschaubare Bandstruktur: DAS NEU machen das Netz zum Spielball ihrer Musik.
„Bist du online?“, fragen DAS NEU auf ihrem Instagram-Profil. Klingt komisch, ist aber Voraussetzung, um dieses Künstlerkollektiv zu verstehen. DAS NEU benutzen das Internet nicht, um ihre Musik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vielmehr ist es fester Bestandteil ihres gesamten Schaffens.
Um zu verstehen, wie dieses Projekt funktioniert, schaut man am besten bei Instagram vorbei. Auf dem Profil von DAS NEU laufen alle ihrer bislang veröffentlichten Informationen zusammen. Kurzer Check: Der Bandkern besteht aus vier Leuten, das Pressefoto zeigt 13, auf die Frage aus der Community, wie viele Mitglieder es denn nun wirklich sind, antwortet die Gruppe mit der Zahl ihrer Follower-Gemeinde.
„Bei uns gibt es keine Barriere zwischen Band und Fans“, erklärt deren Frontsänger im Interview. „Es geht um das Gemeinschaftsgefühl: irgendwo dazuzugehören und komplett akzeptiert zu werden unabhängig von Geschlecht oder Herkunft. Es soll einfach nur einen Raum für alle geben, die Bock haben, das Projekt zu tragen“. Deswegen sollen auch keine einzelnen Bandmitglieder im Vordergrund stehen, weder in Musikvideos noch auf Live-Gigs und am besten nicht einmal in diesem Text.
Der „Raum für alle“, den DAS NEU erschaffen wollen, ist unter anderem eine passwortgeschützte Homepage (die man allerdings mit einem öffentlich einsehbaren Passwort knacken kann) und eine Telegram-Gruppe, über die bevorstehende Gigs und Musikvideos früher kommuniziert werden. Die Vision ist ein geschützter Raum, in dem man sich vernetzen und über persönliche Leidenschaften austauschen kann. „Ihr findet Musik geil, ihr findet Kunst geil, ihr findet Mode geil? Das tun wir auch und wollen davon erzählen“, beschreibt die Gruppe das Projekt. Und: „Klar, die Musik ist wichtig. Aber viel wichtiger ist, dass die Idee und der Community-Vibe im Vordergrund steht“.
Nostalgie trifft auf Zukunft
Trotzdem gilt besonderes Augenmerk natürlich den ersten drei Singles seit vergangenem Dezember, die einen Vorgeschmack auf den musikalisch eingeschlagenen Weg geben. Dort treffen HipHop-Verses auf ästhetisierte Pop-Melancholie, Postrock-Gitarrenschnipsel auf Trap-Beats, VHS-Romantik auf Smartphone-Look. Oder eben Nostalgie auf Zukunft.
Wie die Verflechtung von Internet und Musik schließlich aussehen kann, zeigt unter anderem die Single LOVESTREAM, auf der sich DAS NEU mit aufpolierter Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken und Internetsucht befassen. „Wir spielen viel mit den sozialen Netzwerken, wollen sie aber nicht so benutzen, wie es die breite Masse tut“, sagen sie. Social Media wird hier nicht für den minütlichen Updates von Soundchecks aus irgendwelchen Proberäumen missbraucht, sondern dient vor allem als verlängerter Arm in die Community. Etwa, um Vorschläge für die fankuratierte Playlist zu sammeln oder die allgemeine Befindlichkeit abzufragen. Oder gleich als Aussspielplattform für Musikvideos wie eben bei LOVESTREAM, das in 15-Sekunden-Kapitel aufgeteilt von verschiedenen Musik-Influencern wie „PlanB“-Moderator Kotary Dürr und Niko Backspin über die Story-Funktion gedreht wurde.
Für die nächsten Live-Auftritte und Singles sind bereits weitere Gimmicks geplant, die aber noch nicht verraten werden sollen – schon, weil die Gruppe selber nicht weiß, ob die Corona-Pandemie nicht auch einen Strich durch die persönliche Planung macht.
Dafür veröffentlichen DAS NEU am heutigen Freitag mit „Drive“ ihre dritte Single. Das dazugehörige Video findet Ihr hier:
