Auf den Schultern von Zwergen: Oasis kriegen die Kurve nicht mehr.


Folgender Telefondialog im April. Ich: „Hab grad die neue Oasis-Singte gehört.“ A.: „Und? Ist sie so gut wie ‚Supersonic‘ oder ‚Live Forever‘?“ Ich: „Nein.“A.: „Oder ‚Wonderwall‘ Ich: „Nein.“ A.-„Dann sollen sie sie sich doch in den Arsch schieben. „Ja, nicht sonderlich charmant ausgedrückt, aber es traf den Kern: Irgendwie ist man sauer auf Oasis. So oft haben sie einen zuletzt enttäuscht, so oft hat man ihnen insgeheim wieder die Daumen gedrückt, gehofft. Und jetzt „Heathen Chemistry“. Die Geduld ist zu Ende. Was soll das noch? Man will keinen solchen Durchschnittskäse von jemandem, der mal mit Feinkost gehandelt hat. „My first two albums against onyone else’s“, hat Noel Gallagher einst herausfordernd geprotzt. Das war 1996, der Britpop strahlte, und Oasis glänzten vorneweg, mit Songs für eine halbe Ewigkeit, cool und unangreifbar. Wow, wie mochte das weitergehen mit denen? Wir wissen, wie es weiterging: mit zu viel Koks, einem third Coming zum Füßeeinschläfern und Telefonzellen auf der Bühne. Bald begann die Band zu zerbröseln, und links und rechts schickten sich neue Helden zu Überholmanövern an. Dann kam Album vier, aber das groß behupte Comeback war in puncto Songwriting noch flauer als der Vorgänger. Man winkte ab, gab Oasis auf und war doch wieder gespannt, als dieses Frühjahr die neue LP anrollte. In der Redaktion spürte man bei einigen erstaunliches Wohlmeinen mit der Band, den beinahen Wunsch, diese Platte gut finden zu können. Für die 50 Alben des Jahres schlug sie dann niemand vor.

Oasis waren in diesem Jahr ein netter Unterhaltungsfaktor, der Clip zu „The Hindu Times“sah toll aus, man las amüsante Anekdoten wie die über die Festnahme der Band in München, und die Interviews von Charlotte Roche mit Noel, dem trockensten Grantler des Rock, sollte man auf Video haben. Aber das ändert nichts an „Heathen Chemistry“. Oasis haben seit sechs Jahren keine wirklich gute Platte mehr gemacht, und es ist an der Zeit, sich einzugestehen: es wird wohl auch nichts mehr. Vielleicht sollte man aufhören zu hoffen, dass sie uns noch einmal umhauen werden. Man muss loslassen können.