Auf dem Musikexpress-Radar: Purity Ring


Das Duo Purity Ring aus Kanada nutzt die Mittel von Chillwave und HipHop, um die geisterhaften Zwischenwelten des Pop zu erforschen.

Warum sich mit neuen, monströsen Wortschöpfungen für Genres und deren Unterabteilungen aufhalten, die längst niemandem mehr Orientierungshilfe bieten? „Alles ist im Endeffekt Pop, auch wir“, sagen Purity Ring. Damit hat das kanadische Duo freilich nicht unrecht. Würde man ihrer Musik aber den leichtfüßigen Gesang von Megan James nehmen, würde das, was da übrig bleibt, niemand mehr ernsthaft als Pop bezeichnen. Die düsteren, verschleppten elektronischen Beats, um die sich die männliche Hälfte der Band, Corin Roddick, kümmert, würde man eher auf einem Mixtape von einem Rapper wie A$AP Rocky vermuten.

So tauchte erst vor Kurzem ein Video auf, in dem der HipHop-Newcomer Ro Ransom über den Purity-Ring-Song „Obedear“ rappte. Roddick wundert dies nicht: „Meine Drums sind nun mal sehr von modernen R &B- und Rap-Produktionen beeinflusst. Das passt also ganz gut, wir selbst würden allerdings keinen Rapper auf unsere Songs einladen.“ Denn Purity Ring sehen sich ganz klar als Pop-Act, wie Roddick nicht müde wird zu betonen. Wenn es um die Musik geht, spricht nur der 21-Jährige – die Rollen in der Band sind klar aufgeteilt: Corin arbeitet in seinem Studio in Montreal an den Beats und bastelt sogar Instrumente, wie das live zum Einsatz kommende, mit diversen Lichteffekten ausgestattete Schlagzeug.

Im 1000 Kilometer entfernten Halifax schreibt Megan James anschließend die Texte. Ihre Inspiration sucht sie in „Poesie und dem, was ich tagtäglich erlebe“. Ständig macht sie sich Notizen und verwandelt sie in kryptische, gruselige Lyrics. Lyrics über Körperflüssigkeiten, die in gebrochene Schädel sickern, über weinende Knochen und warum es naheliegen kann, sich Löcher in die Augenlider zu bohren. „Ich liebe es, Nonsens zu kreieren. Manche Fans fragen mich sogar immer wieder, was Songtitel wie ‚Lofticries‘ oder ‚Belispeak‘ bedeuten, es sind aber einfach nur zusammengesteckte Wörter“. Auch wenn die Geschichten, die sie erzählt, sehr persönlich sind, darf „jeder mit ihnen machen, was er möchte“, sagt James. Niemand soll sich isoliert vorkommen. Dafür, dass das nicht passiert, sorgen Purity Ring aber allein schon mit ihren unverschämt eingängigen Hooks.

Dass sie mit ihrem Verständnis von Pop bislang gut gefahren sind, zeigt sich in ihrem rasanten Aufstieg seit der Bandgründung vor nicht einmal 18 Monaten. Knapp 40 000 Menschen klickten bislang auf den berühmten blauen Daumen, was auch dem Traditionslabel 4AD nicht entgangen ist, das sie schnell unter Vertrag genommen hat. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, wie überschaubar der bisherige Output des Duos ist. Nur vier Songs kursierten bis zur Veröffentlichung ihres Debüts Shrines im Netz. „Wir sind sehr ungeduldig“, sagt James. „Als unser erster Song fertig war, haben wir ihn direkt unter die Leute gebracht, weil wir wissen wollten, ob sich die Mühe lohnt.“ Angetrieben von den positiven Reaktionen besuchten sie ihr Studio immer öfter, um an Songs zu arbeiten und „nicht in Vergessenheit zu geraten“. Davor müssen sie dank Shrines vorerst keine Angst mehr haben.    

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