Auf dem Musikexpress-Radar: Michael Kiwanuka


Die Retrosoul-Welle ebbt nicht ab. Nach dem Grammy-Regen auf Adele sieht die Welt nun auf einen jungen Londoner. Die Kritik feiert Michael Kiwanuka schon jetzt als Newcomer des Jahres.

Michael Kiwanuka kann von Glück sagen, dass sein Debütalbum Home Again bereits im Kasten ist. Der Erwartungsdruck, den die Welt seit Kiwanukas erster Single, der Motown-Hommage „Tell Me A Tale“, aufgebaut hat, würde wohl jede Kreativität im Keim ersticken. „Es freut mich natürlich, dass die Leute meine Musik hören wollen“, sagt Kiwanuka etwas unsicher, „ aber ich mache das hier nicht, um allen zu gefallen. Es wird sicher Leute geben, die meine Musik nicht mögen.“ Dürfte bald nur schwer werden, die zu finden.

Eine Karriere im Rampenlicht der Popmusik hatte Kiwanuka nie geplant. Als Sohn von ugandischen Eltern, die unter dem Regime des Diktators Idi Amin in den Achtzigern nach London auswanderten, wuchs Kiwanuka mit seinem älteren Bruder in Muswell Hill in einer „ weißen Mittelklasse“ auf, wie er sagt. Wie alle Kids auf seiner Schule hörte er Blur, Nirvana und The Offspring, später auch A Tribe Called Quest und Pharcyde. Zur Gitarre kam er, nachdem er Bob Dylan entdeckt hatte. „Bob Dylan und Otis Redding sind für mich dort, wo jeder hin will“, sagt er. „Was auch immer Musik erreichen kann, ihre Musik tut das.“ Vor ein paar Monaten war Kiwanuka noch Studiogitarrist für jeden, „der mir dafür Geld gegeben hat“ – bis er nach kleinen eigenen Gigs bemerkte, dass den Leuten seine souligen Folksongs offenbar gefallen.

„Schon bei ‚Tell Me A Tale‘ dachte ich, wir wären zu weit gegangen. Wer will denn schon Saxofon-Soli und Flöten hören?“, sagt Kiwanuka. Die Antwort steht fest: deutlich mehr, als Kiwanuka je zu träumen gewagt hätte. Auf Bescheidwisser-Radios ist „Tell Me A Tale“ schon ein Hit, doch das Potenzial des Songs ist universal. Mit Ausnahme von Nischensendern kann er eigentlich auf allen Heavy Rotations der Welt landen. Das Video zum Song hat Kiwanuka während seines letztjährigen Toursupports für Adele auf Super 8 in Hamburg und Berlin selbst gedreht. Das dazugehörige Album Home Again ist eine Art Best-of aus drei bereits erschienenen EPs.

„Wenn Musik, wie im aktuellen Fall von Adele, nicht mehr nur ein cooles Szeneding ist, über das Pitchfork Media bloggt, sondern wieder Teil einer Kultur und von Menschen überall gehört wird … wenn meine Songs so wahrgenommen werden würden – dann wird das ein erfolgreiches Jahr für mich.“ Bis seine Musik in der Mainstreamkultur angekommen ist, vertreibt sich Kiwanuka die Zeit mit neuen Songs und Kollaborationen. So erscheint als B-Seite seiner nächsten Single, „I’m Getting Ready“, ein neues Stück namens „Lasan“, das Kiwanuka mit Dan Auerbach von den Black Keys aufgenommen hat.