Ash


Die aktuelle britische Musik orientiert sich so sehr an Beatles, Kinks und Bowie, daß auch sporadische Punkgewitter und verhaltene Industrial-Collagen nicht vergessen machen können, welchen Wurzeln der gewaltige Erfolg entspringt, den Bands wie Blur und Oasis seit einiger Zeit verbuchen können. Britpop, diese seltsame Melange aus Taufrische und Konservatismus, kann in diesen Tagen bewirken, daß drei Burschen aus Nordirland, eben noch Geheimtip zwischen Leicester Square und Oxford Street, dank einer einzigen CD (‚1977‘) binnen Wochen zu Stars anvancieren — und sich plötzlich mitten in Berlin wiederfinden. Doch allem Erfolg zum Trotz schert sich Ash, der Dreier aus der britischen Provinz, einen Dreck um all die Erwartungen, die nun mal an Shooting Stars der Szene gestellt werden. Die Show beginnt ohne Umschweife. Sänger und Gitarrist Tim Wheeler, ein junger Mann mit der Ausstrahlung eines gut gelaunten Klempner-Azubis, wechselt mühelos zwischen flinken Riffs aus dem Walzwerk und Saitenspaß ä la Johnny Thunders.

In Zeitlupe leiten Ash ‚Goldfinger‘ ein, das Glanzlicht auf ‚1977‘. Zwischen Dur und Moll, gebremster Psychedelik und cleveren Rhythmusvariationen gerät der Song zu einem echten Kunst-Stück. Live ringen Wheeler und seine beiden Begleiter ihrem Hit wahre Suggestivkräfte ab. Dann das ‚Girl From Mars‘, das eine Gruppe galaktisch elektrisierter lung-Frauen zum ausgelassenen Stage-Diving animiert. So groß ist der Andrang, daß Tourmanager und Security ordnend eingreifen müssen. Die Band jedoch läßt sich nicht aus der Ruhe bringen, schüttelt ‚Lost In You‘ und ‚Oh Yeah‘ locker aus dem Ärmel. Nun merkt auch der letzte, über welches Potential Ash verfügen. Unkalkulierbare, treuherzige Tonfolgen und bizarre Rhythmen als homogener Mix? Für Ash kein Problem. Oasis und Blur sollten sich warm anziehen.