Art Brut – London, Tin Pan Alley Festival
Wer den Witz nicht versteht, nimmt eben den Groove: Dem erschütterten London bereiteten diese Bournemouthener Banditen vor allem Spaß.
Kaum zehn Tage sind verstrichen seit den Bomben. Doch an diesem Wochenende zeigt sich London laut, stolz und trotzig. Die Sonne strahlt. In jedem dritten Park findet ein free festival statt. Auch in der Tin Pan Alley. Die heißt eigentlich Denmark Street und ist eine winzige Seitenstraße am Rand von Soho. Seit Urzeiten sind hier die Musikverlage, Gitarrenshops und Ganovenmanager daheim. Hinter dem heutigen Festival steht die Organisation Shelter. Sie will für Verständnis für die jungen Obdachlosen von London werben. Unter den heutigen Umständen tut sie viel mehr als das. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist praktisch mit den Fingern greifbar. Und da kommt eine Band wie Art Brut gerade richtig: nix Pathos, viel Groove, Energie und Spaß. Sänger Eddie Argos ist halb Jarvis Cocker. halb Mark E. Smith. Sein verschmitztes Lächeln versteckt er hinter einem schütteren Bärtchen. Dazu wedelt er mit den Armen wie ein irrer Priester aus dem tiefsten Texas. Das Grinsen überläßt er Gitarrist lan sowie der Bassistin Frederica. Derweil hüllt sich der zweite Gitarrist Chris Chinchilla ganz in igelhafte „Don’t Touch Me“-Attitüde. Hinter diesem bunten Haufen steht Drummer Mickey B. und haut aufsein Minimal-Kit ein wie ein Steinzeitberserker. Wunder über Wunder-aus diesem Tohuwabohu von Gegensätzlichkeiten dringt Musik, die selbst das ganz aufs Relaxen eingestellte Zufallspublikum eines kleinen Sommersonnenfestivals voll auf Trab hält. Humor und eckiger Postpunk-Rock’n’Roll sind nicht immer die besten Bettgenossen. Aber Art Brut wissen genau, wie viel Groove ein Witz braucht, um auch denen Spaß zu machen, die den Witz nicht verstehen. Die bösen Kommentare von Eddie Argos purzeln zwischen die Kreissägen-Gitarrenriffs und die munteren Mitgröhl-Refrains wie Konfettis aus scharfkantigem Glas. Besonders lustig sind seine Verballhornungen junger, supercooler Typen (keine Namen, aber es weiß eh jeder Bescheid), die glauben, zum Rock’n’Roll-Underground zu gehören. Was Art Brut natürlich auch tun. Nur anders. Tin Pan Alley weiß es heiß zu verdanken. Alles gröhlt mit und beweist, dass Art Brut jetzt schon ein paar waschechte Evergreens im Programm haben. Die Sonne senkt sich dem Horizont zu. als später The Subways die Bühne besteigen. Sie spicken ihren bittersüßen Grunge-Pop mit einer Vielzahl von Zitaten aus der Rockgeschichte. Die unterhaltsam böse Ironie von Art Brut geht ihnen ab. Aber ihre gute Laune und vor allem ihre ohrwurmhaften Refrains sind ansteckend wie Scharfach. Außerdem ist es nicht der Fehler von Billy und Charlotte, daß sie so verdammt gut aussehen. „Young For Elernity“ singen sie. Und wie!
www.artbrut. org.uk