Arcade Fires Will Butler im Interview: „Natürlich klingen wir wie ABBA!“
Wir haben mit Arcade Fires Bühnenberserker und Multiinstrumentalisten Will Butler über ihre mysteriöse „Everything Now“-Kampagne, Teenieperspektiven in Popsongs und eine neue Leichtigkeit gesprochen.
Arcade Fire sind die größte Indierockband der Welt. Das beweisen sie nicht nur auf ihrer aktuellen „Infinite Content“-Tour, die sie – neben umjubelten Konzerten in zum Beispiel Berlin – Headliner-Shows auf den größten internationalen Festivals zwischen Lollapalooza und Roskilde spielen lässt. Das belegt auch ihr neues Album EVERYTHING NOW, das nach THE SUBURBS und REFLEKTOR ihr drittes Nummer-Eins-Album in den USA in Folge geworden ist. Dass Arcade Fire dabei nie den einen richtigen Hit hatten, den jeder kennt, ist kein Fluch, sondern ein verdammter Segen. Weil es ihnen die Narrenfreiheit gibt, sich zum Beispiel an Schlagermusik, an Souleinlagen, die an deutsche Moderatoren aus den Achtzigern erinnern,und an einem schrägen Promo-Konzept zu versuchen, das mehr Fragen als Antworten aufwirft.
Ein paar dieser Fragen haben wir Will Butler, einem von sechs Multiinstrumentalisten der Band, am Telefon gestellt, als Arcade Fire während ihrer Tour in Manchester Halt machten.Musikexpress.de: Hast Du „Lost“ gesehen, Will?
Will Butler: Ja… Warum?
Das Logo Eurer fiktiven „Everything Now“-Corporation, das unter anderem auf Euren neuen Lederjacken prangt, erinnert an die dortige Dharma Initiative.
(lacht laut) Das kann ich nachvollziehen, ja! Den Vergleich habe ich vorher noch nicht gehört, finde ich aber wirklich lustig.
Der Dharma Initiative, einer mysteriösen Forschungsgruppe, ging es in der TV-Serie anscheinend um Macht und Kontrolle. Sie war eine höhere Instanz zwischen Gut und Böse. Was geben Euch die „Everything Now“-Logos, wenn Ihr Eure Jacken überwerft? Seid Ihr plötzlich jemand anderes?
We’re slightly more corporate! Wir kommen uns wie Rennfahrer vor. Oder Basketballspieler in einer spanischen Liga, wo jeder Zentimeter deines Körpers mit Werbung zugepflastert ist. So extrem sind wir aber auch wieder nicht.
Die EN-Corp. hat Eurer Legende nach wohl auch dieses Interview geplant, schließlich hat sie Eure Promotion übernommen.
Es ist sogar noch komplizierter, würde ich sagen.
Aber wir können uns darauf einigen, dass Ihr diese Corp. erfunden habt, um jedwede schlechte Werbemaßnahmen auf sie schieben zu können und dadurch Kritik an bestimmten Branchenmechanismen zu üben, an denen Ihr weiterhin teilnehmt?
Ich weiß das alles nicht. Sie sagten mir lediglich, es sei Zeit für dieses Interview, und ich habe eingewilligt und rede „mit wem auch immer ihr wollt“.
Mit Arcade Fire seid Ihr in einer sehr privilegierten Situation: In all den Jahren wurdet Ihr für jedes Eurer Alben respektiert und verehrt, musstet kaum Kritik einstecken.
Da sind wir in einer wahnsinnig glücklichen Lage, ja. Ich sagte immer schon, dass wir uns mehr um die internen Meinungen der Band kümmern als um die externen. Mir ist wichtig, was Win, Regine, Tim oder Jeremy sagen. Das geht aber nur, weil die Welt da draußen uns grundsätzlich sehr unterstützt (lacht). Würde uns jeder ständig anmaulen, wären diese Stimmen schwieriger zu ignorieren.
Die US-Musikwebsite „Stereogum“ brachte neulich einen Artikel mit der Überschrift „Remember when Arcade Fire were good?“. Gesehen?
(lacht) Ja, klar.
Wie geht Ihr mit der plötzlichen Kritik um?
Wenn meine Freunde mich zur Seite nehmen und mir sagen würden: „Hör mal zu, Will. Was Du da gerade machst, ist totaler Bullshit.“ Dann würde ich anfangen mir Sorgen zu machen. Aber wenn jemand, den ich gar nicht kenne, einen Blogpost schreibt, um den herum sie noch Werbeflächen verkaufen, dann kümmert mich das nicht wirklich. (lacht)