Aqualung


München, Atomic Cafe Mo» Haies schreibt die vielleicht tieftraurigsten Klavier- balladen Großbritanniens. Da kommt man schon ins Staunen, wenn so einer live den Kasper gibt.

„Es suppt schon von den Wänden, meint der Kollege, und plötzlich schwirrt er einem wieder durch den Kopf, jener Satz, den einst der sagenhafte Evan Dando sprach: „Jetzt wird ’s aber doch ein bisschen zu Herr-der-Ringe-mäßig hier. „Ist ja auch wahr. Vorne flackert ein Kerzenmeer, über die Decke rieselt gedämpftes Licht, und seit fünf Minuten flutet als Ouvertüre fiepsiges Enya-Falsett den Raum. Himmel, und dann sind da noch diese zwei Typen, die sich in letzter Minute durch die dicht gedrängten Reihen nach vorne zwängen. Können die nicht einfach bleiben, wo sie …

Ah, besser nicht. Sollen sie nur passieren, die Brüder Haies. Dass sie sich als Zuschauer ausgeben, bevor sie auf die Bühne steigen und mit „Easier To Lie“ ihren Baüadenreigen eröffnen, ist schließlich Teil ihrer Show. So wie die schön beknackte Schutzbrille, die sich Aqualung-Mastermind Matt Haies später immer wieder auf die Nase setzt.

So wie auch dieser Moment inmitten des großartigen „Left Behind“ als er auf den Hocker vor seinem Flügel steigt und sich in so verrenkte Rocker-Posen wirft, dass sich sogar seinem Bruder Ben – sonst eher stoisch über Keyboards und Gitarren – ein Lächeln entringt. Ist Matt Haies nun ein verkannter Clown oder will er mit solchen Einlagen nur den Kitsch kaschieren, der seinem samtenen Piano-Pop mitunter innewohnt? Nötig hätte er’s ja nicht: Das Publikum hängt sowieso zu jedem Song an seinen Lippen. „Wir würden gern noch eine Zugabe geben“, meint Haies nach einer Stunde, „aber es ist so voll hier, dass wir nicht mehr auf die Bühne kommen, wenn wir einmal runter sind. Hm. Wirtegen uns einfach auf den Boden, und wenn ihr taut genug applaudiert, stehen wir wieder auf und spielen noch was. „Und da liegen sie dann, während der Beifall kein Ende nimmt. „Das ist jetzt aber albern“, murrt einer nebenan, womit er sich sogleich den Unmut seiner Nachbarin zuzieht: „Ach, Schmarrn! Sympathischer geht’s doch wohl net.“ Recht haben sie wohl beide.