Anarchy in co.uk


Ein einstmals "wütender Teenager" erzählt im Netz die Geschichte des Punk: Punk77.co.uk ist die beste Punk-Website der Welt.

Es war ein klassischer Toilet-Gig: Der Geruch von Kotze, Gras und Uhu, überall Graffiti perfekt“, erinnert sich Ed Banger von den Nosebleeds.

Der „perfekte“ Auftritt seiner Band im Roxy in London fand, wie er erzählt, vor etwa 20 Leuten statt und war damit exemplarisch für die Zeit des Vorglühens, die der Explosion des Punk in England vorausging. Wer die wichtigste Ära zwischen 1976 und 1979 noch einmal aus Sicht der Protagonisten erleben will, sollte die Interviews lesen, die Paul Marko für seine äußerst umfangreiche und liebevoll gewartete Website www.punk77.co.uk geführt hat: In über 50 Gesprächs- und E-Mail-Protokollen berichten ehemalige Bandmitglieder einflussreicher Punkkapellen wie The Stranglers, The Slits und The Adverts von ihren Erlebnissen am Rande der Gesellschaft.

„Die Punk-Nostalgie-Industrie hat uns eine Sichtweise auf den Punk verkauft, in deren Mittelpunkt die Sex Pistols, The Clash, Sid Vicious und die üblichen Verdächtigen stehen. Hier ist eine andere“, schreibt Marko. Seine Website, die inzwischen über eine Million Besucher im Jahr registriert, enthält neben den Interviews ausführliche Abhandlungen über Sid Vicious, über Frauen in Punkbands, die wichtigsten Vertreter der amerikanischen Szene (The Velvet Underground, MC5, Stooges, etc.) und zahlreiche andere relevante Themen.

Für das Genre höchst wertvoll – weil in diesem Bereich wesentlich ausführlicher als zum Beispiel www.allmusic.com – ist Paul Markos Bandverzeichnis: Für über 200 englische und mehr als 30 amerikanische Punkbands hat er historische Fakten, Flyer, Bilder sowie Artikel aus Fanzines und Magazinen gesammelt. Es unnötig zu erwähnen, dass eine solche Arbeit nur mit wahrhaftiger Leidenschaft zu leisten ist. „Ich war 1977 ein gelangweilter und wütender Teenager“, erzählt Paul Marko dem ME. „Ais ich das erste Mal die Stranglers gehört habe, konnte ich mich mit der Wut und der Energie der Texte und der Musik identifizieren.“ Da er nie aufgehört hat, nach der Wahrheit hinter den Mythen zu suchen, hatte er irgendwann genug Material beisammen, um ein Buch zu veröffentlichen: 2007 erschien mit „The Roxy London WC2 – A Punk History“ ein über 500 Seiten dicker Wälzer (www.roxyclub77.co.uk ).

„Heute, 30 Jahre später, bin ich noch immer von dem Geist des Punk durchdrungen“, sagt Marko. „Nur die Wut hat ein bisschen nachgelassen.“