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„American Vandal“: Diese Satire ist das Spannendste, was es auf Netflix zu sehen gibt


In dieser Parodie auf das True-Crime-Genre wird nicht nur ein perverser Verbrecher gesucht. Nebenbei werden auch die Abgründe von Dokumentarfilmern und Social Media betrachtet.

Was als ein normaler Schultag beginnt, endet in einer perversen Katastrophe. In einer, die es bisher nur in den grob gezeichneten Bildern von „South Park“ ins Fernsehen geschafft hat. Dutzende Schüler einer High-School werden Opfer des „Turd Burglars“, eines kriminellen Genies, der die Limonade der Mensa mit Abführmittel versetzt hat und dafür sorgte, dass etliche Teenager sich auf den Schulgängen die Hosen vollscheißen. Videos davon fluten die sozialen Netzwerke, eine gesamte Schülerschaft versinkt in Scham.

Wenn Filmemacher zu Protagonisten werden

„Das braune Grauen“, wie der Fall genannt wird, ist in der Logik von „American Vandal“ natürlich der perfekte Fall für die Dokumentarfilmer Peter und Sam. In der ersten Staffel der Netflix-Satire beleuchteten die Teenager schon einmal ein bizarres Verbrechen: Der vorschnell schuldig gesprochene Schul-Bully Dylan hatte angeblich alle Autos auf dem Schulparkplatz mit Schwänzen vollgesprüht, Peter und Sam suchen nun mithilfe von Kameras, Interviews und Social-Media nach der Wahrheit hinter der Tat.

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American Vandal“ war 2017 eine großartige Parodie auf True-Crime-Formate wie „Making a Murderer“ und „The Jinxx“, die seit Jahren große Beliebtheit genießen. „American Vandal“ schaffte es nicht nur, einen völlig banalen und vor allem fiktiven Fall mit genauso viel Spannung aufzuladen wie die realen Stories über brutale, ungelöste Morde. Die Satire legte sogar die Schwächen vieler dieser Dokumentationen offen: Filmemacher, die sich selbst zu Protagonisten ihrer Geschichten machen oder den Fall selbst in neue Richtungen lenken wollen, damit es noch einen Twist zu erzählen gibt.

Anhand von auf Autos gesprühte Penisbilder bedienten und zerlegten Dan Perrault und Tony Yacenda, die Autoren und Erfinder von „American Vandal“, ein halbes Genre. Und den Druck, den die die Autoren nun vor der zweiten Staffel spüren, verarbeiten sie bereits in den ersten Minuten sachgerecht im neuen Fall von Peter und Sam.

Die fiktiven Filmemacher rücken sich immer wieder selbst in den Mittelpunkt.

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Die beiden sind innerhalb der Serie jetzt nämlich Doku-Superstars und erklären sogar, wie die bisher unerklärlichen Drohnen-Shots in Staffel 1 zustande kamen: Eigentlich hatten sie nämlich nur eine etwas holprige Version des Penis-Falls auf Vimeo hochgeladen, dann trat, Achtung, Netflix an die Schüler heran, stattete sie mit Geld und Ausrüstung aus. Peter und Sam konnten einige Szenen noch einmal professioneller nachdrehen, bessere Infografiken anfertigen und ihre Vimeo-Doku so sehr aufmotzen, dass Netflix sie schließlich in die Mediathek nahm. Mehr Meta geht kaum.

Kritik an Formaten wie „Dark Tourist“

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Diese Origin-Geschichte der ersten Staffel ist natürlich genauso frei erfunden wie der „Turd Burglar“, der seine Mitschüler mit Durchfall terrorisiert. Doch für die Zwecke der zweiten Staffel sind sie der perfekte Einstieg: Die mittlerweile bekannten Doku-Filmer sind halbwegs Stars und bekommen viele Angebote für ihre nächste Story. Die emotionale Off-Erzählung, in der Peter und Sam erklären, warum sie sich dem Durchfall-Verbrechen annehmen, ist entlarvend abgedroschen. Denn eigentlich wollen sie doch nur eine Doku mit maximal drastischen Bildern und maximaler Aufmerksamkeit machen. Man darf das gern als Kritik an Leuten wie David Farrier verstehen, der mit „Tickled“ eine wirklich spannende Dokumentation gemacht hat und nun auf Netflix als „Dark Tourist“ mit stets besorgtem Gesicht um die Welt reist und immerzu sich selbst in den Mittelpunkt stellt.

Neben all diesen Anspielungen auf die Schwächen des eigenes Genres und die Allüren von angeblich selbstlosen Filmemachern vergisst „American Vandal“ aber nicht, wieder einen spannenden Fall aufzuziehen. Denn der „Turd Burglar“, der natürlich innerhalb kürzester Zeit zum Social-Media-Star wurde, droht mit weiteren Anschlägen. Dramatisch und minutiös wird die Durchfall-Katastrophe und die Angst vor der nächsten in acht Episoden aufgearbeitet. Und es ist tatsächlich das Spannendste, was es derzeit auf Netflix zu sehen gibt.

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