Am Ende des Regenbogens
Streamings, kostenlose Downloads, Blitz-Releases - die Musikwelt experimentiert mit Wegen, ihre Platten auf den Markt zu bringen
Bis heute ist nicht völlig klar, wie viel Radiohead nun wirklich mit in rainbows verdient haben, jenem Album, das sie 2007 auf ihrer Website zunächst zum freien Download anboten – für einen Preis, den der Kunde selbst bestimmen konnte. Immerhin ein paar Zahlen gab ihre Plattenfirma im Oktober 2008 heraus: Drei Millionen Verkäufe, darunter 100 000-mal die 80 Dollar teure Deluxe-Box, die es online zu bestellen gab. Für Musik, die man auch umsonst hätte haben können, sind das keine schlechten Zahlen. Welchen Preis die Kunden im Schnitt festgesetzt haben, bleibt aber unbekannt, und fest steht: Weit mehr Fans haben die Platte kostenlos heruntergeladen als dafür bezahlt. Dennoch: Geld wurde verdient, und zwar mehr als mit dem konventionell vermarkteten Vorgängeralbum HAIL TO THE THIEF.
Die Experimentierfreude anderer Künstler konnte das nur anfeuern. Die Dirty Pretty Things seligen Angedenkens etwa luden vorab zum kostenlosen Streaming Von ROMANCE AT SHORT NOTICE. Und Bloc Partys Intimacy konnte man im August schon vor dem offziellen Release auf der Website der Band herunterladen. Ein Preis von knapp acht Euro war dabei aber vorsichtshalber festgelegt. Trent Reznor wiederum stänkerte nicht nur gegen den „Marketing-Gag“ von Radiohead, sondern zeigte auch, wie er sich die Musik-Revolution vorstellte: Gleich zwei neue Alben der Nine Inch Nails kamen 2008 als kostenlose Downloads unter einer Creative-Commons-Lizenz raus; die Tracks können also zu nicht-kommerziellen Zwecken sogar beliebig bearbeitet werden. Andere wie Gnarls Barkley setzten mit überraschenden „Rush Releases“, Veröffentlichungen ohne bzw. mit kurzer Vorankündigung, auf Tempo und eine Überrumpelungstaktik. Nur drei Wochen nach dem Ende der Aufnahmen sollte auch consolers of thel onely, das neue Album der Raconteurs, gleichzeitig in den Musikredaktionen und im Handel sein. Noch schneller war es dann aber im Netz aufgetaucht; da half der straffste Zeitplan nichts.
Fast schon beruhigend altmodisch wirkt bei all diesem Aktionismus im Netz der Erfolg einer Band, die störrisch keinen einzigen Ton als Download anbietet. Dennoch verkauften AC/DC von ihrer neuen Platte black ice in einer Woche so viele Exemplare wie 2008 niemand sonst und konnten es sich auf Anhieb an der Chartspitze gemütlich machen. Und das, ja wirklich, allein mit CD-Verkäufen.