Kolumne

„Aluminiumsulfat bildet nadlige Kristalle“: Jan Müllers „Reflektor“-Kolumne


Jan Müller über Donald Ducks und Micky Maus' musikalische Gastauftritte.

Diese Überschrift ist ein Zitat aus einem Donald-Duck-Comic. Er heißt: „Was sagte Hannibal?“ (Storycode H 93154). In der Geschichte wird Donald durch einen ­technischen Unfall kurzzeitig zum Genie. Ich musste an diese urkomische Story ­denken, als ich mit meinem „Reflektor“-Co-Host Kolja Podkowik eine erbitterte Messaging-Debatte darüber führte, wer denn die besten Donald-Duck-Zeichner neben Carl Barks seien. Er vertrat die Thesen, dass der Don Rosa dem Genie Carl Barks ebenbürtig und außerdem William van Horn überragend sei.

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Sicher ist das alles richtig, antwortete ich, gab jedoch zu bedenken, dass wir uns außerdem vor Daan Jippes, Freddy Milton, Volker Reiche, sowie Mau und Bas Heymans zu verbeugen hätten. ­Kolja reagierte merkwürdigerweise einsilbig. Obwohl er doch ansonsten selten um Worte verlegen ist. Der Mann ist schließlich Rapper. Als ich ihn dann auf den Zeichner Phil de Lara hinwies, sagte er gar nichts mehr. Ich fürchte fast, dass er die bahnbrechende Donald-Geschichte „Wirbel um einen Wohnwagen“ (Storycode: S 69118) gar nicht kennt.

1936 war das Wissen um den Privatdetektiv Maus noch nicht umfassend verbreitet

Wenn ihr euch jetzt fragt, was dieser nerdige Comic-Kram in einem Musikmagazin verloren hat, dann bitte ich um euer Verständnis. Ich habe seinerzeit einen fließenden Übergang hingelegt: Vom Lesen der größten Jugendzeitschrift der Welt „Micky Maus“ glitt ich in meinem Kinderzimmer direkt hinüber zum quäkenden Undergroundpunk. Eine meiner ersten Punk-Platten war der Hamburg-Sampler WATERKANT HITS. Das Cover ziert eine großartige Entenhausen-Adaption des Zeichners Gerd Bytomski. Er hatte sich zuvor schon einen Namen als Erfinder der Donald-Punk-Fanzine-Reihe gemacht. Für mich waren beide Welten vereint. Das Cover von WATERKANT HITS ist eines der besten aller Zeiten.

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Ich habe mich in den 80ern wirklich immer sehr gefreut, wenn ich Duck-Adaptionen auf Schallplatten-Hüllen fand. Dann war es mir auch egal, ob sich hinter der Hülle Punk verbarg. Obwohl ich in jenen Tagen eigentlich nur diese Musik­richtung hörte. Aber für Songs wie „Jay Duck’s Theme“ von Jay Duck And J. D. Revolution machte ich dann mal eine Ausnahme. Der Song ist ein erstklassiger Italo-Dance-Hit. Im Punk-Bereich selbst findet sich Durchwachsenes zum Thema Entenhausen. Unvergessen ist natürlich der Hit „Comic Zeit“ der Winnender Band Normahl (aus DER ADLER IST GELANDET, 1984). Im Text heißt es „Micky mit den großen Ohren will sich einen runterholen“.

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Das ist zwar respektlos, aber viel besser als das, was drei Jahre zuvor die Punkband Vitamin A dichtete (zu finden auf dem KZ 36 II Sampler): Die sangen doch tatsächlich „Anarchie in Disneyland mit Micky Maus, DIE jeder kennt.“ Das ist gendertechnisch betrachtet kompletter Unfug. Mir ist nicht bekannt, ob die Band Vitamin A diesen Irrtum jemals korrigierte. Ich fordere sie hiermit dazu auf. Auch Lilian Harvey beging den gleichen Fehler: Im Jahr 1936 sang sie im Film „Glückskinder“: „Ich wollt ich wär die Micky Maus, dann sähe ich sehr komisch aus.“ Es sei ihr verziehen! 1936 war das Wissen um den Privatdetektiv Maus noch nicht umfassend verbreitet. Vermutlich war er damals sogar noch gar kein Privatdetektiv.

Der „Micky-Maus-Foxtrott“ ist auch in der deutschen Fassung ein sehr schönes Lied

Außerdem müssen wir Harvey zugutehalten, dass sie eine wundervolle Persönlichkeit war. Sie ließ sich von den Nazi-Verbrechern nichts vorschreiben. Im Jahr 1939 verließ sie Deutschland. Im „Micky-Maus-Foxtrott“ aus dem Jahr 1930 singt Max Mensing „Micky, Micky, süße Micky Maus! / Du bist reizend, du bist lieb / Micky Maus, du bist mein Typ / Jeder weiß es, der dich kennt / Du hast Schmiss und Temperament!“ Auch hier der gleiche Fehler. Interessanterweise heißt es im englischen Original eindeutig richtig: „Mickey! Mickey! Tricky Mickey Mouse! / On the land and on the sea / He’s a big celebrity“.

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Trotzdem ist der „Micky-Maus-Foxtrott“ auch in der deutschen Fassung ein sehr schönes Lied. Ganz anders als der Ballermann-Hit „Micky Maus – Wir geh’n noch nicht nach Haus“ eines gewissen Markus Becker. Diese Saufkulissenmusik ist unendlich entbehrlich. Ich sage jetzt einfach mal ganz selbstbewusst: In einer besseren Welt würde der (zugegebenermaßen auch recht anstrengende) Song „Heute erscheint die neue Micky Maus“ meiner Band Dirty Dishes am Ballermann laufen. Und die Leute würden dort dann nicht Bierhumpen in der Hand halten, sondern mit „Micky Maus“-Heften wedeln – vorsichtig, denn sie würden vermeiden wollen, dieses Kulturgut zu beschädigen. ­

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Kolja und ich wären auch dabei. Nach Ende des Songs würden wir uns hinsetzen und die Hefte lesen. Selbstverständlich würde ich hoffen, im Heft eine Wiederveröffentlichung der Story „Was sagte Hannibal?“ von Mau Heymans zu finden. Aber mit einem soliden Vicar-10-Pager wäre ich auch zufrieden.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 7/2024.