Gegen den Beauty-Wahn: Alicia Keys‘ Schönheitsideal heißt No-Make-up und ist real


„Steht zu eurem fehlerhaften, unordentlichen Ich – wir sind alle perfekt“, postet Alicia Keys ihr neues Selbstbewusstsein in die Welt hinaus und möchte ab jetzt danach leben – ungeschminkt und als absolut sie selbst.

Alicia Keys feiert ihr Comeback nicht nur mit einem neuen Album, das noch in diesem Jahr erscheinen soll und jüngsten Auftritten bei der Eröffnung des UEFA-Champions-League-Finales in Mailand sowie ihrem Exklusiv-Konzert im Berliner Lido – die Soul-Sängerin ist nach dreijähriger Babypause auch abseits der musikalischen Ebene stärker, selbstbewusster und authentischer zurück als je zuvor.

Weil ich mich nicht mehr verstecken will. Nicht mein Gesicht, nicht meine Gedanken, nicht meine Seele, nicht meine Träume, nicht meine Emotionen. Nichts.

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Tschüss, falsches Ideal – Hallo, gesundes, echtes Ich

Mit ihrem Essay „Time to uncover“ (dt.: Zeit, sich zu zeigen“)  für Lena Dunhams feministischen Newsletter „Lenny Letter“  macht sich der Star Alicia Keys als Mensch bzw. Frau greifbar und setzt ein Zeichen gegen den Beauty-Wahn unserer Zeit. Keys beschreibt darin, wie bereits jungen Mädchen in der Schule beigebracht wird, perfekt sein zu müssen und das junge Selbst diesem Gedanken vertraut und ihn womöglich noch als erwachsene Frau (bis ins hohe Alter) verfolgt. So ist es auch Keys ergangen:

„Jedes Mal, wenn ich das Haus verlassen habe, machte ich mir Sorgen, ob ich auch genug Make-up aufgelegt hatte. Was ist, wenn jemand ein Foto von mir macht? Was, wenn es gepostet wird? Das waren meine ängstlichen, oberflächlichen, aber ehrlichen Gedanken, die ich mir ständig machte. Und das alles nur, weil ich mich sorgte, was andere Leute von mir denken.“

„Um dazuzugehören oder als schön angesehen zu werden, musst du dich verstecken, um näher an der Perfektion zu sein“, bringt die Sängerin die Denke, unter der sie wie Millionen Menschen (unter-)bewusst litt, auf den Punkt. Damit bricht sie nicht nur ein Tabu der schillernden, geschminkten Promi-Welt, sondern auch eine Lanze für Frauen, die sich wie Keys jahrelang hinter Make-up bzw. ihr „unaufgeräumtes“ Ich hinter gesellschaftlich anerzogenen wie anerkannten Verhaltensweisen, versteckten.

„Nie war ich wirklich ich selbst, sondern veränderte mich ständig, damit ,sie‘ mich akzeptieren“, bedauert Keys in ihrem Essay und erzählt, wie sie so zum „Chamäleon“ in ihrem eigenen Leben wurde. Das Gute daran: An unangenehmen Feststellungen wie diesen kann man wachsen und der größte Mist kann uns zu Großem (Stichwort: Keys‘ neues Album) inspirieren, oder? Keys zumindest machte sich vor der Arbeit an ihrem Album Gedanken über dieses, ihr selbst gewähltes, Dasein und erstellte unter anderem eine Liste von Dingen, die sie ankotzen: „Und eines davon ist, wie Frauen eingeredet wird, dass sie dünn, sexy, verführerisch und perfekt sein müssen. Es hat mich genervt, dass Frauen ständig bewertet werden (…), das konstante suggerieren der Medien, dass es nicht normal ist, eine normale Kleidergröße zu tragen – und Gott bewahre, du trägst Plus-Size!“ Aus Text-Fragmenten wie diesen entstanden dann Lyrics, wie jene aus ihrem bisher unveröffentlichtem Song „When a Girl Can’t Be Herself“:

„In the morning from the minute that I wake up
what if I don’t want to put on all that make-up
who says I must conceal what I’m made of?
Maybe all this Maybelline is covering my self-esteem.“

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Reales Ich versus digitale Illusion

Angesichts der beinahe surrealen Ausmaße, die Social-Media- und Beauty-Wahn mittlerweile annehmen, kann man Keys diesen Zug, der hoffentlich kein PR-Tool ist, kaum verdenken, oder? Hier ein Digital Influencer auf seinem tot retuschierten Blog-Bild in einem gestellten Moment, da ein Promi, der sich auf seinem Instagram-Account geschönt privat gibt, obgleich doch alles inszeniert ist. Und obendrauf noch mal ganz viel Kardashian-Contouring – eine Make-up-Technik, die Makel durch dunkle Schattierungen zurücktreten lässt und mit hellen Nuancen Highlights setzt – das Frauen, Mädchen und Kindern suggeriert, dass das echte Ich echt öde ist und man sich schleunigst wie das Idol zu pimpen hat.

Alicia Keys‘ Weg zu sich selbst

Am Anfang sei es ihr schwergefallen, ohne Make-Up vor der Kamera zu stehen, schreibt Alicia Keys in ihrem Essay. Und das können wir uns quasi bildlich vorstellen, leuchtet heute doch gefühlt ein jeder Nicht-Promi seine Selfies von Omas Couch in Hintertupfingen bis zum VIP-Event in New York aus, um sich realen Freunden wie digitalen Verbindungen im besten Licht zu zeigen und dafür beklatscht zu werden. Keys bekam glücklicherweise gar nicht die Möglichkeit, sich zumindest für Promotion-Zwecke geschminkt ungeschminkt ablichten zu lassen. „Ich kam zu meiner ersten Fotosession für das neue Album gerade aus dem Gym, trug einen Schal unter meinem Baseball-Cap und die Fotografin sagte: ‚Ich muss dich genau so, genau jetzt für das Album fotografieren! Die Musik ist roh und echt – die Fotos müssen genau das auch sein!‘“ Gesagt, geknipst und seit Pionier Peter Lindberghs „The Naked Truth“ (2012) einen bahnbrechenden Weg in der Fotografie von Musikern für deren Single-Cover eingeschlagen, chapeau!

https://www.instagram.com/p/BE_XR6uoveB/

Für alle, die sich wie Alicia einst noch unsicher ohne Make-up fühlen, aber ihren Gewohnheiten und dem täglichen Versteck hinter Concealer und Co. den Kampf ansagen möchten, sät die Sängerin zusätzlich Hoffnung: „Ich schwöre, ich habe mich nie stärker, freier und wahrhaftig schöner gefühlt (…) Ich fühle mich stark, weil sich meine ursprünglichen Absichten verwirklichen; mein Wunsch, auf meine innere Stimme zu hören (…) und ich selbst zu sein.“

Alicia Keys pur gibt’s auch in ihrem neuen Musikvideo:

https://www.youtube.com/watch?v=ygIj_McnHJo