Air Hugs und „Jaaa“-Rufe: Tyler, The Creator live in Berlin
Überraschend erschien im April mit CHERRY BOMB das neue Album von Tyler, The Creator - Grund genug für einen seiner seltenen Deutschland-Besuche. So war's beim Konzert in Berlin.
Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Tyler, The Creator zum letzten Mal Berlin besucht hat. In der Zwischenzeit ist sein neues Album CHERRY BOMB erschienen – ein willkommener Anlass also, mal wieder auf Tour zu gehen. Noch immer sind die Auftritte des Odd-Future-Kopfes hier rar gesät. Immerhin vier Mal beehrt er in diesem Monat Deutschland, dennoch stehen sich vor dem Berliner C-Club zahlreiche Kids die Beine in den Bauch, um noch Tickets für die ausverkaufte Show zu bekommen. Kein Wunder, ist der Ausnahmerapper spätestens seit WOLF (2013) doch wahrlich kein Geheimtipp mehr.
Das Publikum an diesem Abend ist vor allem eins: jung. Muttizettel dürften reihenweise gezückt werden, in den entlegenen Ecken der Venue sieht man gar den einen oder anderen Erziehungsberechtigten herumstehen. Ob die wissen, worauf sie sich eingelassen haben?
Denn schon als Odd-Future-DJ Taco Bennett die Bühne betritt, flippen die Besucher kollektiv aus und machen ihm seinen Job als Anheizer außerordentlich leicht. Nach 15 Minuten Aufwärmprogramm setzt Tyler mit Unterstützung seines MC-Kollegen Jasper Dolphin und dem furiosen Opener „BSD“ noch einen drauf. Pubertäre Hipster-Girls buhlen schreiend um die Aufmerksamkeit des Rappers und die hemdentragenden Vertreter des männlichen Geschlechts… ja, tun eigentlich das gleiche – vorausgesetzt, sie machen nicht gerade wichtige iPhone-Fotos und -Videos. Der Star des Abends wirkt angesichts des vollen, tobenden Hauses bei seinen Ansagen fast verlegen, fummelt sich derweil aber verdächtig in seinen Shorts herum. Jasper hält sich im Hintergrund, ist während und zwischen den Songs ein verlässlicher Partner für Tyler, lässt seinem Kollegen jedoch immer genug Raum, um zu scheinen.
Die neuen CHERRY-BOMB-Songs wie „Pilot“ und „Deathcamp“ lassen sich an diesem Abend an einer Hand abzählen und mischen sich angenehm unauffällig zwischen ältere Hits wie „Tron Cat“ und „Sam Is Dead“. Ohne die Unterstützung seiner großen Odd-Future-Crew und Gastrapper kann Tyler viele Songs nur anreißen, so etwa „Rella“ vom OF TAPE VOL. 2. Dennoch ist die lautstarke Unterstützung des Publikums von „She“ bis „Domo 23“ mit seinen „Golf Wang“-Chören zu jeder Zeit sicher. Ob moshend oder tanzend – hier steht keiner still. Selbst beim Liebeslied „IFHY“ tobt das Publikum, sehr zur Verwunderung von Jasper. „This ain’t a song for a mosh pit!“ wundert er sich grinsend.
Tyler hat derweil besonderen Gefallen an dem Wort „Jaaa!“ gefunden, das schnell zum Running Gag des Abends mutiert. In bester Call-And-Response-Manier schmettert der Rapper immer wieder „Jaaa!“-Rufe in die Menge, die vom Publikum lautstark wiederholt werden. Bald haben sich Besucher und Musiker gegenseitig so hochgepusht, dass fast jedes Substantiv im 2011er Hit „Yonkers“ durch ein „Jaaa!“ ersetzt wird. Als Belohnung gibt’s vom sichtlich begeisterten Tyler eine Ladung Air Hugs an alle.
Kurz vor Ende der Show werden die wiederholten „Jasper“-Rufe des Publikums mit einer Acapella-Version seines „Oldie“-Beitrags vom OF TAPE VOL. 2 belohnt. Als Tyler schließlich Earl Sweatshirt auf die Bühne ruft, dürften einige Besucher vor Freude wohl fast das Bewusstsein verlieren – umso größer ist die Enttäuschung, als sich der Typ, der da kurz auf die Bühne gestürmt kommt, lediglich als Jaspers Bruder erweist. Somit haben zumindest die Rapper nochmal ordentlich was zu lachen, bevor sich bei „Tamale“ alle ein letztes Mal alle komplett verausgaben können.
Von Tylers oft rüpelhaftem Image und den anarchistischen Zuständen der frühen Shows ist an diesem Abend nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil ist der 24-Jährige außerordentlich lieb und versöhnlich drauf. Als er aufgrund der Ankündigung des letzten Songs in enttäuschte Gesichter blickt, erklärt er: „Don’t be sad! We got to hang out together! That’s awesome! You gotta stay positive!“ – Jaaa!