Kolumne

Aidas Popkolumne: Musicians that break your heart


Hear ME Out: James Blake will von seiner Musik leben, während andere diese nur als Mittel zum Zweck sehen. Was tun?

„Do you want good music or do you want what you paid for?“ twitterte (oder heißt das jetzt xte?) James Blake Anfang März. Er wolle sich nicht damit begnügen, viral zu gehen und sich dann darüber andere Einkommensquellen zu suchen, die nicht mehr wirklich etwas mit der Musik zutun hätten. Wenn wir gute Musik wollen, müsste irgendjemand dafür bezahlen, schrieb er weiter, Tiktok und Co. tun es jedenfalls nicht, Streamingservices sowieso nicht, Touren sind für viele Künstler:innen kaum noch zu finanzieren – und die Industrie bereite Hörer:innen sowieso darauf vor, KI-generierte Musik als das nächste große Ding abzufeiern. Damit traf Blake wohl einen Nerv – ausgerechnet diese Absage an das Diktat der Viralität auf Social Media ging natürlich komplett steil auf Social Media. Well, das sind wohl die Widersprüche, die wir alle aushalten müssen.

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Der Flirt mit KI

Recht hat Blake trotzdem mit allem: Ein Künstler auf seinem Level kann natürlich bequem von der Musik leben und wird oft genug (allein schon von mir) gestreamt, dass auch trotz der ausbeuterischen Praktiken von Majorlabels, Streamingservices und sozialen Medien ein gutes Gehalt für ihn abfällt. Doch das trifft nur auf einen Bruchteil aller Künstler:innen zu – und es stimmt, dass die Mainstreamindustrie immer offensichtlicher mit KI flirtet, bei der im Endeffekt kein:e Künstler:in entlohnt werden müsste und bei der der störende Faktor Mensch mit all seinen Unberechenbarkeiten nicht dem Business in die Quere kommen würde. Schöne neue Musikindustrie.

Aidas Popkolumne: Let’s get out of… the nostalgia loop!

Andere Künstler:innen haben sich längst mit dieser neuen Welt arrangiert – kürzlich kam etwa heraus, dass der Stadtstaat Singapur Taylor Swift mutmaßlich Millionenbeträge ausgezahlt hat, damit sie in ganz Südostasien nur dort Konzerte spielt. Fans aus Thailand, Vietnam, den Philippinen oder Indonesien mussten zu einem der sechs Konzerte nach Singapur pilgern, wenn sie sie live erleben wollten. Kein nettes „nachbarschaftliches“ Verhalten sei das, sagte philippinischer Politiker, für Singapur aber war das eine Maßnahme, um den eigenen Tourismussektor anzukurbeln. Fans kaufen ja nicht nur Tickets, sondern buchen Übernachtungen, gehen essen, trinken, fahren durch die Stadt, gehen shoppen. Ka-Ching.

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Gebietsschutz ist in der Musikwelt nichts Neues: Wenn Künstler:innen ein großes Festival spielen, dann bedeutet das meistens auch, dass sie davor oder danach für eine Weile kein einzelnes Konzert in der betreffenden Stadt geben. Aber dass sich Gebietsschutz über mehrere Länder erstreckt und eine Regierung eine Künstlerin dafür bezahlt, nur im eigenen Land zu spielen, ist dann doch etwas Neues.

Aidas Popkolumne: Get up, stand up for your right … to go viral?

Für Taylor Swift bedeutet das natürlich doppeltes Einkommen. Sie verdient bei den Konzerttickets mit, beim Merch und eben auch durch das etwas größere Extra, was ihr Singapur zugesteckt hat. Für die Fans heißt das aber gleichzeitig: Taylor Swift live zu sehen wird zu einer noch kostspieligeren Geschichte als sowieso. Aber es ist natürlich immer alles nicht so eindeutig: Taylor Swift war es auch, die sich immer wieder mit Streaminganbietern anlegte, und zwar nicht nur zu ihrem eigenen Vorteil, sondern auch für andere Künstler:innen und für Fans. Mit den Konsequenzen dieser aktuellen Businessentscheidung aber werden nicht nur ihre Fans, sondern auch alle anderen Künstler:innen leben: Wer Hunderte – wenn nicht Tausende Euros ausgibt – um eine:n Künstler:in zu sehen, wird wahrscheinlich im restlichen Jahr weniger andere Gigs besuchen. Auf dem Sziget Festival vergangenen Sommer erzählte mir der Festivalgründer auch, dass nicht andere Festivals für ihn Konkurrenz darstellen, sondern eher eine angekündigte Tour von Swift oder ähnlich großen Superstars, deren Konzerttickets teilweise genauso viel, wenn nicht noch mehr kosten, als ein Festivalticket.

Mehr „Supersponsoren“

Apropos Festivals: auch die suchen sich andere Einkommensmöglichkeiten, eh klar. Niemand benennt eine Bühne immerhin freiwillig nach einem Biermischgetränk oder einer Klamottenmarke. Aber den Vogel schießt dieser Tage das SXSW in Austin ab, dass Tech-, Film- und Musikindustriefestivals. Kurz vor Start der diesjährigen Sause verkündete die Organisation, dass die US-Armee sich als „Supersponsor“ engagiere. Und damit nicht genug – auch eine Waffenfirma ist involviert, die RTX Corporation beteiligt sich an zwei Tech-Showcases. Die kurzfristige Ankündigung sorgte für Shock, mehrere in den USA lebende Künstler:innen sagten daraufhin ab.

Aidas Popkolumne: Boycott the Whole Lot! … oder?

Für viele, die aus dem Ausland anreisen, war es aber so kurzfristig nicht mehr möglich zu canceln, ohne Tausende von Dollar zu verlieren. Für Newcomer eine Menge Geld. Und eine beschissene Situation, wenn man eigentlich hofft, dass das Festival, auf dem fast alle wichtigen Booker:innen, Manager:innen und Co. weltweit nach dem nächsten großen Ding suchen, vielleicht der große Durchbruch sein könnte.

Was wollen wir?

Welche Musikwelt wollen wir also? Eine, in der einige wenige ihren Fame als Künstler:in nutzen, um als Influencer:in Cash zu machen, KI-Musik den Rest bespielt und Armeen und Waffenproduzenten sich mit Underground-Attitüde schmücken, oder eine, in der Kunst nicht nur ein Werkzeug ist?