„Achten Sie auf das Schlagzeug!“


Eigentlich sitzt Jools Holland in einem Berliner Hotelzimmer, um für sein im Herbst erscheinendes Album Jools Holland & Friends Werbung zu machen. Ein Blind Date? Hat der Talkshow-Host und Musiker aber auch Lust drauf – und möchte dann am liebsten gar nicht mehr aufhören.

Stevie Wonder

„Shoo-Be-Doo-Be-Doo-Da Day“

Jools Holland: (nach dem Intro) Ja, klar. Können Sie ausmachen, würde ich im Schlaf erkennen. Stevie, von For Once In My Life. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, was alleine in diesem Intro steckt? 200 Jahre Musikgeschichte! Wenn’s reicht. Dieses Clavinet ist ja ein Instrument, das seine Wurzeln in der klassischen Musik hat. Mein Vater kaufte mir damals das Album. Hervorragende Platte. Als ich Stevie Wonder später kennenlernte, fuhr er mir übrigens mit seiner Hand über das Gesicht und sagte: „Ah, Sie kommen mir bekannt vor. Ich glaube, ich habe Sie schon einmal gesehen.“

The Beatles

„I Want You (She’s So Heavy)“

Wieder ein Song, den man schon an seinem Intro erkennt. George Harrisons Gitarre! Und achten Sie mal auf das Schlagzeug! Das ist wahnsinnig präzise, Ringo macht das so gut. Man erkennt die Qualität einer Band immer an einem Schlagzeuger. Wenn der alleine die Menschen zum Tanzen bringen kann, ist alles gut. Wenn nicht, hat die Band ein Problem. Und vergessen Sie nie: Die Beatles sind der Blueprint. Es gab vorher keine Bands, die so sehr an eigener Musik arbeiteten, sondern fast nur sogenannte „Recording Artists“, die eben einfach Songs anderer nachspielten.

Squeeze

„Cool For Cats“

Ja, das kenne ich. Habe es aber lange nicht mehr gehört. Obwohl ich gute Laune bekomme, wenn ich den Song höre. Das war damals in England eine Kult-Nummer, weil es ganz gewitzt getextet ist.

Denken Sie oft an Ihre Zeit mit Squeeze zurück?

Ja, zum Beispiel wenn ich unterwegs bin. Jetzt gerade lasse ich etwa meinen Blick durch dieses Hotelzimmer schweifen und muss an dieses Hotel irgendwo im Norden denken, in dem wir während einer unserer ersten Touren untergebracht waren. Eine Bruchbude, an deren Wand ein Schild hing, dass es strengstens untersagt sei, ins Bett zu pinkeln, scheißen oder kotzen. Wir stellten dann fest, dass unter dem Bettlaken eine Gummimatte lag. Ekelhaft!

U2

„Out Of Control“

Was ist das?

Das kennen Sie!

(Bonos Gesang setzt ein) Wieder ist es das Schlagzeug, das so gut ist. Aber natürlich auch Bonos Stimme. Wir haben früh zusammen mit U2 gespielt. Bevor sie auch nur einen Ton veröffentlicht hatten. Das Publikum bestand aus drei Leuten und einem Hund. Zwei Leute und der Hund gingen. Das tat weh … Mann, ich habe ganz vergessen, wie super hier die Drums sind.

The Stone Roses

„Bye Bye BadMan“

Oh, die Stone Roses. Dieser Flanger, den mochte ich sehr gerne. Der Song klingt, als wäre er vorige Woche aufgenommen worden.

Woran machen Sie das fest?

Ich habe eben oft den Eindruck, dass es früher einfacher war, eine Platte ihrer Zeit zuzuordnen. Die 40er-, 50er-, 60er-, 70er-Jahre hatten jeweils ein sehr präzises Klangbild. Das hat aufgehört. Das hat natürlich einiges mit Technik zu tun, aber man scheint sich auch auf einen Sound eingependelt zu haben.

Oasis

„Rock’n’Roll Star“

Die Kraft von Definitely Maybe erreichten Oasis nie wieder. Gibt es eine bestimmte musikalische Energie, die nur junge Bands besitzen?

Es ist eher so: Junge Bands wollen es wissen und gehen mit der entsprechenden Energie an die Sache ran. Und diese Energie ist das Geheimnis. Der Künstler, der bei mir am meisten dieser Energie vermittelte, war Rubén Gonzaléz. Ein kubanischer Klavierspieler, der etwa 80 war. Mit dem Alter hat es also nichts zu tun.

Paul Weller

„No Tears To Cry“

Achten sie auf das Schlagzeug! (wippt mit) Paul Weller kann Songs schreiben, wie er gerade will. Das hier ist wunderbar nostalgisch. Eine Soul-Nummer, die ebenso alt sein könnte wie die, die wir vorhin hörten. Ich arbeite öfter mit ihm zusammen, das macht immer viel Spaß.

Cee-Lo Green

„Fuck You“

Der nächste Song hat in der Version aus Ihrer Show sieben Millionen Klicks bei YouTube!

Zu Recht! Cee-Lo ist ein großartiger Typ. Übrigens ein Jackie-Wilson-Fanatiker. Er kennt jeden Song und kann die auch singen, was gar nicht so einfach ist. Eigentlich muss deine Stimme ausgebildet sein, um das zu machen.

James Blake

„Limit To Your Love“

Hier erkennen wir wieder sehr gut, worum es in der Musik geht: verschiedene Stimmungen zu verbinden. Blake ist hier stark, aber gleichzeitig verletzlich. Da muss man sofort an Leute wie Marc Almond denken, vielleicht auch Billie Holiday. Diesen Mix beherrschen nicht viele.

Jools Holland

Holland, 1958 in Blackheath/London geboren, war von 1974 bis 1981 Keyboarder der britischen Rockband Squeeze. 1981 wurde er dort von Paul Carrack abgelöst. Bereits 1978 hatte er mit der EP „Boogie Woogie ’78“ den Grundstein für seine Solokarriere gelegt. In den 80ern moderierte er an der Seite von Paula Yates die Musiksendung „The Tube“. Seit 1992 ist er Gastgeber der renommierten TV-Show „Later… with Jools Holland“, in der er weltbekannte Künstler und Newcomer verschiedenster Musikgenres präsentiert.