AC/DC
AC/DC, die australische Band um das Gitarre spielende Känguruh Angus Young, zählt zu den fleißigsten Gruppen der neuen Rockwelle. Unermüdlich sind die Jungs vom fünften Kontinent überall in der Welt auf Tournee. In Deutschland waren sie schon mehrfach unterwegs und hinterließen mit ihrem saftigen Power-Rock einen recht guten Eindruck. Jüngstes Reiseziel der Weltenbummler war Amerika. ME-Mitarbeiterin Sylvie Simmons traf sie in Kalifornien.
Auf der Bühne ist AC/DC eine Bilderbuch-Gang des Heavy Metal-Punk. Die Musik knüppelt dröhnend auf die Zuschauer ein, ist Rock im Stadium des höchsten Wahnsinns. Zurück in der Garderobe indessen sehen die Australier alles nicht mehr so verbissen. Sie legen ihre Füße auf den Tisch und trinken erst einmal was. Nichts ist mehr übrig von der Anmache zwischen Gruppe und Publikum, keine Kopfschmerzen, keine Beulen: eine neue Generation der ruhigen, nicht neurotischen Rockstars.
Angus Young, der 1,60 kleine, blauäugige Wahnsinns-Gitarrist, hatte eine Riesenidee, die AC/ DC aus dem Heer der anderen nachrückenden Gruppen im Handumdrehen herausheben wird.Vor einiger Zeit hat er sich einen Sender für seine Gitarre gekauft. Lange genug ist er über Schnüre gestolpert oder Opfer von elektrischen Schlägen gewesen. Und nun. so meint er strahlend, sei er nicht mehr an die Bühne gebunden. (War er das überhaupt jemals?)
Eine drahtlose Gitarre bedeutet, daß er etwa 150 Meter vom Empfänger entfernt spielen kann. Jetzt kann er nicht nur auf die Ordner hinten im Theater losgehen – wie damals im Londoner Rainbow. als er mit einem Ordner kämpfte, der nicht gerade sanft seine Hände an einen AC/DC-Fan gelegt hatte sondern sich auch auf den Schultern von Sänger Bon Scott durch den Zuschauerraum schleppen lassen, während er wie wahnsinnig auf seine Gitarre eindrischt. „Wir breiten uns gern ein wenig aus!“ erklärt Angus. Das nachste Mal wird er wohl sein Solo spielen, während er im Taxi ein paarmal um den Block fährt. Der Junge hat Stil!
AC/DC befinden sich gerade auf ihrer ersten US-Tournee und stellen ihr jüngstes Album „Let There Be Rock“ vor. Während die Schallplattenfirmen derzeit alles einfangen, das auch nur annähernd nach Punk riecht, wurden die biertrinkenden, großmäuligen echten Straßengören in diesem Rausch vor kurzer Zeit in den USA noch völlig ignoriert. Unbeirrt spielten sie jedoch im Vorprogramm verschiedener Gruppen oder in Clubs landauf, landab. Bis auf einige Sprachprobleme machte ihnen nichts zu schaffen; sie amüsierten sich und gewannen eine Menge Fans.
AC/DC-Sänger Bon grinst: „Ich bin nun mal kein Donny Osmond!“
Ich stolpere über Bon Scott und Angus Young, als sie sich am Rande des Swimmingpools auf dem Dach ihres Hotels ausruhen. Der Rest der Band planscht im Wasser. Bis auf den polnischen Kellner hält jeder sie für ausgesprochene respektable Rockmusiker. Der Kellner jedoch weigert sich. das Kännchen Tee auf die Rechnung zu setzen, und die Jungen haben das Geld natürlich nicht passend in ihren Badehosen. Wenn sie nicht so müde wären, würde das wohl peinlich ausgehen. AC/DC haben eine hektische Nacht hinter sich. Zwei Gigs im „Whiskey“ in Los Angeles, bei denen sie ihre ganze Energie darauf verwandten, die Sympathien des Publikums zu gewinnen, das – in Bons Worten – nicht ganz so wild sei wie das englische (AC/DCs Lieblingsclub ist der Londoner „Marquee“). Der Gig verlief überaus erfolgreich, die Zuschauer verlangten sogar nach einer Zugabe. Unglücklicherweise hatten das die Musiker nicht rechtzeitig bemerkt. „Es gibt nichts Schlimmeres, als rumzuhängen und auf eine Zugabe zu warten,“ erklärte Angus. „Wir gehen immer in unsere Garderobe. Das Dumme ist, daß diese Typen so gerne trinken. Sobald wir in der Garderobe sind, sind sie auch schon besoffen und versuchen herauszufinden, wo wir eigentlich sind.“ Er zeigt auf Bon. „Er dachte, wir seien in Detroit!“ Bon grinst wissend: alles ist wahr. Er ist nun mal kein Donny Osmond.
AC/DC engagierten für diese Tournee einen neuen Bassisten, den 28jährigen Cliff William. Sie fanden ihn in London. „Der letzte, den wir hatten (Mark Evans), war es leid, ständig auf Tournee zu sein,“ sagt Angus. „Die Tourerei war ein wenig zu viel für ihn. Die Bands, in denen er vorher gespielt hatte, arbeiteten mehr oder weniger drei Monate im Jahr. Wir hatten nicht eine Pause, seitdem wir angefangen haben.“ Und das war Silvester 1973.
Cliff paßt gut in den Haufen hinein. Er übernimmt außerdem hin und wieder Background-Gesang. „Nicht etwa, daß wir eine Harmonieband sind“, beeilt sich Angus zu erklären, als ob das nötig wäre. Cliff wird die Gruppe während ihrer US-Tour und auch bei ihren nachfolgenden Europa-Konzerten begleiten.
„Wir schreiben meistens unterwegs,“ meint Angus. Er und sein Bruder Malcolm als Gründungsmitglieder komponierten die Musik; Songs wie „Overdose“, „Problem Child“, „Bad Boy Boogie“ und „Hell Ain’t A Bad Place To Be“. Bon liefert die Texte; über alles mögliche von unerwiderter Liebe bis hin zu einer Portion Prügel meistens allerdings darüber. „Ich habe mir ein Diktaphon gekauft,“ erzählt Bon. „Was mir auch immer in den Kopf kommt, kann ich damit festhalten. Meistens bin ich betrunken, und wenn ich das Zeug morgens noch einmal anhöre, denke ich, .Verdammt! Habe ich das gesagt? Habe ich das gedacht?‘ Aber meistens kann man daraus ganz gutes Material basteln.“ Er fügt noch hinzu: „Meine Mutter sagt immer, „Bon, wann fängst du endlich an, gute Songs zu schreiben? Nette und saubere Songs?'“
„Wir mögen zwar klein sein“, sagt AC/DC-Gitarrist Angus Young. „Aber wir machen eine Menge Lärm!“
Nicht für das nächste Album, Ma. AC/DC haben es schon aufgenommen und es wird weltweit simultan veröffentlicht. Sie sagen, es sei schon ein Schritt vorwärts – aber nicht zu weit. „Unsere Alben werden niemals einen Orchestersound haben, niemals weich oder balladenhaft sein,“ betont Bon. „Wir würden nicht gerne zu weit über das Ziel hinausschießen.“ „Unser musikalischer Ehrgeiz ist es, ein ganzes Album so aufzunehmen, wie es Little Richard und all die anderen Typen in den 50er Jahren taten; ohne Doppelspuren oder sonst irgendetwas“, betont Angus. „Wir waren diesmal schon ganz schön nahe dran.“ Ihr anderer Ehrgeiz besteht darin, reich zu werden. Ein erschöpfender Job für eine Band, die daran glaubt, Geld verdienen zu können. „Wir stehen nicht als Musiker auf der Bühne,“ erklärt Bon. „Wir sind da, um zu unterhalten. Aber wenn jemand sich zurücklehnen und zuhören will“, fügt Angus hinzu, „gibt es genug andere Musik. Wir mögen zwar klein sein, aber wir machen eine Menge Lärm!“ Sy.