A Tribute to Nevermind


Bands und Solisten aus allen möglichen Genres und Ländern haben den Nirvana-Klassiker neu für den ME aufgenommen – und stellen hier sich und ihre Intentionen vor

1 Smells Like Teen Spirit

Sir Simon

„Eigentlich ist das ein uncoverbarer Song – und dann noch als erstes auf der CD! Oh oh oh …“ Bevor Simon Frontzek zusagte, den Überhit neu für uns zu interpretieren, erbat er sich eine Nacht Bedenkzeit. Am nächsten Morgen wusste Simon, in dessen Jugendzimmer ein Poster mit Kurt Cobain gleich neben Michael Stipes Bild an der Wand hing: „Lauter, dreckiger und cooler als die Nirvana-Gitarren geht es nicht, also leiser und uncooler. Besser: gar keine Gitarren. Versuchen, nicht zu schreien!“ Simon weiß eben auch (die beiden Alben seiner Band Sir Simon Battle erzählen davon) wo seine Stärken liegen. Er verwandelt das Brett in eine Ballade, arrangiert sie aber bei aller Zurückhaltung verwunschen schön.

2 In Bloom

Fink

Fin Greenall aus Brighton ist mit seinem Projekt Fink schon einen langen Weg gegangen – anfangs elektronisch und beatlastig, sind er und seine Band heute die erste Singer-/Songwriting-Vertretung des Ninja-Tune-Labels. Und auch mit „In Bloom“ waren Fink ein gutes Stück unterwegs, bis sie wussten: „kein Bass, kein Schlagzeug!“, aber auch keine Lagerfeuer-Interpretation. „Wir wollten eine andere Atmosphäre schaffen, dann kamen wir auf diese spukigen Gitarrenparts. Ansonsten sind wir aber nahe am Original geblieben. Für irgendwelche Streunereien ist es einfach ein zu guter Song.“

3 Come As You Are

Mando diao

Auch für die Schweden war Kurt Cobain ein Lehrmeister: „Von ihm lernten wir, wie wichtig es ist, simple Songs zu schreiben und leidenschaftliche Texte zu verfassen.“ Mit „Come As You Are“ coverten sie den Song, mit dem sie Nirvana damals kennenlernten. Da Mando Diao zuletzt viel mit Dancebeats experimentierten (das Band-Nebenprojekt Caligola wird bald noch mehr davon zeigen), schraubten sie auch an die Nirvana-Single einen schnittigen Beat dran – beigesteuert von Salla, der ihr jüngstes Album Give Me Fire produziert hatte. Dazu kräftige Soul-Vocals, eine muntere Orgel … „Tatsächlich fand all das sehr schnell zueinander.“ Und tatsächlich funktioniert es auch.

4 Breed

Parts & Labor

Parts & Labor sind eine so hymnisch veranlagte wie ausgeprägt noisige Band aus New York, die eher mit Acts wie Battles und TV On The Radio unterwegs ist – „aber im Tourbus haben wir uns zuletzt viel dieser 90s-Alternative-Helden angehört, wie Soundgarden, Alice In Chains, NIN. Und ich muss sagen: Nirvana haben die Zeit am besten überdauert“, sagt Sänger und Bassist BJ Warshaw. „Breed“ stellte die Band vor die selbstgestellte Aufgabe, etwas „essential P&Lness“ einzubringen. Es galt aber auch herauszufinden, was Cobain da vor dem Refrain brüllt: „Ghooost!“ oder „Caaause!“? Die Band entschied sich für „Ghooost“ und konstruierte diese Startrampe für den Refrain bei jeder Wiederholung ein Stückchen länger. Ein cleveres Stück „essential P&Lness“.

5 Lithium

Selig

Dass Nirvana als Vorreiter der Alternative-Rock-Bewegung, aber auch als Sound-Blueprint eine wesentliche Rolle für Selig gespielt haben, weiß jeder, der sich mit der Musik der Hamburger ein wenig länger beschäftigt hat. „Nirvana waren Gott auf einem gottlosen Planeten“, sagen sie noch heute. Der Song „Lithium“, von Selig bewusst schlicht bei gleichzeitig hoher Energieausschüttung interpretiert, verbindet sich allerdings auf eher unangenehme Weise mit ihrer Biografie: „Ende der Neunziger brach unsere Band auseinander, was zu unserem kollektiven Nervenzusammenbruch führte. Und dieser Song spiegelt genau dieses Gefühl.“

6 Polly

Bonaparte

„Wenn man einen Song covert, adoptiert man sozusagen das Baby eines anderen, und man muss die Geschichte zuerst seine eigene werden lassen“, ist Tobias Jundt überzeugt. Der Mastermind des Berliner Punkrock-/Dance-Spektakels Bonaparte griff also in seinen eigenen „Werkzeugkasten“, programmierte die Rhythmusmaschine, schrammelte auf der Gitarre, sang das Stück aus Zeitmangel unterwegs auf der Autobahn ein, drehte alles „durch den Fleischwolf“ – und verlor dennoch nie den Song aus den Augen. Was sicherlich auch daran liegt, dass Cobains Kompositionen so zwingend sind. An „Polly“ liebt Jundt vor allem die Lyrics – „ziemlich verdreht sind die und ziemlich großartig!“

7 Territorial Pissings

Scott matthew

Der New Yorker Singer/Songwriter, dessen Album There Is an Ocean … 2009 im ME als „Platte des Monats“ geadelt wurde, bestand darauf, „Territorial Pissings“ zu covern – ein anderer Song von Nevermind kam für ihn nicht in Frage: „Sicherlich eine ungewöhnliche Wahl, schließlich ist das Original das heftigste Stück der Platte“, sagt Matthew: „Aber ich es schien, als könnte ich nur mit diesem Song arbeiten. Auch mit dem Text kam ich viel besser klar als mit denen der anderen Stücke.“ Die kammermusikalische Umsetzung dürfte den Fans von Scott Matthew bekannt vorkommen, aber was der torch singer gerade im Vortrag seiner klagenden Stimme aus dem tosenden Original macht, erhebt quasi auch die Coverversion des Klassikers umgehend zum Klassiker. Scott Matthew bleibt „Territorial Pissings“ zudem als das Stück in Erinnerung, auf dem man „das verrückt laute Quietschen des Pedals meines Klaviers“ hören kann.

8 Drain You

Get Well soon

„Die ersten Songs, die ich mit meiner ersten Band gespielt habe, waren Nirvana-Songs“, erzählt Konstantin Gropper alias Get Well Soon (der mit seinem Debüt auch schon den ME-Titel „Platte des Monats“ davontrug: 2008). Allerdings dürfte es noch recht authentisch grungy geklungen haben, was Gropper und Band damals daraus gemacht haben. Anders heute: Der studierte Musiker, der auch als Soundtrack-Produzent ein gefragter Mann ist, produzierte sein „Drain You“ mit einem fast barocken, dennoch nicht überladenen Arrangement und einer großzügig ausgebauten Dramaturgie – immer mit dem Zitat des Nevermind-Produzenten Butch Vig im Hinterkopf: „Eigentlich ist dieser Song viel zu poppig für Grunge.“

9 Lounge Act

Wallis Bird

Die Sängerin und Musikerin Wallis Bird kommt aus Irland, lebt und arbeitet aber in London. Dort zog sie sich einen Tag lang (und einen ordentlichen Teil der Nacht) zurück, verzweifelte fast daran, Strophe, Refrain und Riffs für sich auf eine Linie zu bringen, arbeitete mit unterschiedlichen Stimmen und Stimmungen und brachte es in dieser Zeit tatsächlich auf fünf Versionen von „Lounge Act“. Die Widerborstigkeit des Originals scheint sich schließlich auch in ihrer Interpretation abzubilden, nicht von ungefähr: „Schließlich entschloss ich mich, weniger darüber nachzudenken, warf die Sachen einfach on tape und die verschiedenen Sounds verschmelzten.“ Sie lacht: „Das hat bisher immer geholfen.“

10 Stay Away

Waters

Dass sein neues musikalisches Projekt ein Befreiungsschlag ist, war vom ersten Ton an, den die Band veröffentlichte, zu hören. Waters hat Biss, hat Tempo, poltert los. Von hier zurück bis zu Nirvana ist es deshalb für das Ex-Port-O’Brien-Mitglied Van Pierszalowski nur ein kurzer Weg. Ein Cover von „Stay Away“ kam ihm gerade Recht, um den „Waters-Vibe“ zu transportieren: „Das ist eines der absoluten pure-energy-Stücke von Nirvana – der Refrain kommt sechs oder sieben Mal, und es kommt allein auf das Gefühl, die Vibes der Performance an!“ Die große Herausforderung war für Van der Gesang: „Kurt war ein erstaunlicher Sänger, der es verstand, schwierige Sachen einfach aussehen zu lassen – das machte es schwierig für jemanden wie mich.“ Hey, mission accomplished, Mr. Pierszalowski!

11 On A Plain

thees uhlmann

Der Tomte-Chef versucht es hier mit „Kammermusikgrunge“, wie er selbst sagt. Er wollte es weder mit der „klaustrophobischen Größe“ des Originals aufnehmen, noch einfach nur eine simple Akustikgitarren-Version abliefern. So erklingt ein Klavier, die Akkorde schlägt Thees hart mit dem Daumen an – Akkorde, die er noch „ein wenig in Richtung ‚Rockin‘ In The Free World'“ verschoben hat, weil der Song sonst irgendwie „nicht tief und intim“ klingen wollte. „Da Kurt Cobain großer Neil-Young-Fan war, glaube ich, dass das mit ihm okay geht.“

12 Something In The Way

William Fitzsimmons

Schon damals als Nevermind erschien, steckte der Singer/Songwriter Fitzsimmons mehr in der Folk-Musik, wie er sagt: „Erst wusste ich nicht, was ich damit anfangen soll. Aber dann erkannte ich, was für ein ehrlicher und brillanter Songschreiber Kurt ist.“ Für seine Version von „Something In The Way“ („Eine so düstere wie präzise Beschreibung der Einsamkeit“) setzte er sich lange mit Melodie und Text des Songs auseinander: „Ich wollte herausfinden, was genau Kurt damit zu sagen versuchte, statt irgendetwas nachzuahmen.“ Das selten einfühlsame Ergebnis scheint wirklich mit dem Original zu korrespondieren.

13 Endless, Nameless

1000 Robota

„Ich kannte diesen Song gar nicht“, gesteht Anton Spielmann. „Ich wusste nicht einmal, dass Nevermind einen Hidden Track besitzt. Ich hatte immer nur die LP-Version, wenn ich mich nicht irre, ist der dort gar nicht drauf.“ Als das Hamburger Trio „Endless, Nameless“ dann hörte, war es „fasziniert von der Brutalität und Härte, die dort Platz findet“. Das eher strukturlose Original mit dem „roten Noise-Faden“ eignete sich wunderbar zur freien Interpretation. „Das ist wie ein roter Boxsack, auf dem man draufkloppen kann“, sagt Spielmann. Die Band blieb in diesem Bild auf der Suche nach ihrer eigenen Version: „Uns fiel es irgendwie schwer, uns diesen Sack in einem klassischen Boxsalon vorzustellen, also haben wir uns den Boxsack einfach unter einer Palme vorgestellt.“ Wie, diese Band spinnt? Aber natürlich! Wer sonst hätte sich eine so ungenierte, freigeistige Version von „Endless, Nameless“ zusammenspinnen können?