Klez.e

November

Staatsakt/Universal

Die Berliner Band im Live-Modus, ein Postpunk-Ausrufezeichen aus dunklen Zeiten.

„Da wirkt die Zerstörung plötzlich so nah.“ Ein Kommentar auf YouTube zum Klez.e-Video „Drohnen“, das nicht nur die zerstörte Stadt Homs in Syrien, sondern auch Bilder von Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt. Der Song ist in einer knapp achtminütigen Version auf diesem Livealbum der Berliner Band zu hören, und er schleift die dunkle Atmosphäre des im Januar 2017 veröffentlichten Albums DESINTEGRATION auf die Bühne, intensiviert die Bilder, die Töne. Musik, die gegen Zerfall und Entfremdung anspielt.

15 Songs, auf Tournee aufgezeichnet, haben Klez.e auf NOVEMBER gepackt, die Mehrzahl der Stücke stammt von DESINTEGRATION. Und die Vergangenheit steht plötzlich im Sound des Hier & Jetzt, das „Strandlied“ (2006) wurde auf elf Minuten gedehnt und reichlich beschwert. Das neue Stück „Raupe“ darf langsam im Echoraum treiben. Vornweg „Flammen“, „Mauern“, „Drohnen“. „Wenn es regnet, gehen die Kinder spielen, die Drohnen bleiben aus“, die Stimme von Tobias Siebert kreist im Hall, sie klingt wie betäubt. Die Gitarre schiebt sich über einen langsam holpernden Beat, der Synthie malt eine dramatische Melodie an die Wand.

Nein, wir hören nicht The Cure (der Lieblingsvergleich von uns Kritikern bei DESINTEGRATION), Klez.e sind in diesem Moment eher Wiedergänger von Joy Division, auf den Hosenboden gefallen. Aufstehen, Lebenszeichen senden. Zur Auseinandersetzung rufen. Das kann die Musik hier.

4 Fragen an Tobias siebert (Klez.e)

Gibt es einen Auslöser für das Wiedererwachen der Band?

2015 brachte mir ein großes Verlangen, Texte zu schreiben. Ausgelöst durch das Kontrastmittel, das mit der Flüchtlingsbewegung in Europa gespritzt wurde und das plötzlich überall eine Tendenz zu geschichtlicher Wiederholung diagnostizierte. Ich kann in so einer Situation meine Klappe nicht halten.

Was passiert live mit den alten Songs?

Wir haben sie in den Desintegrationskosmos transformiert. Sie bekommen eine neue Dringlichkeit für uns. Unser aktueller Sound entsteht aus einer Unbehaglichkeit, die wir zur Zeit unserer Welt gegenüber verspüren und diese will sich unbedingt auch auf die älteren Stücke übertragen.

Du hast DESINTEGRATION als „anstrengend“ beschrieben. Löst sich die Anstrengung, wenn ihr die Songs live spielt?

Nicht wirklich. Wir hätten die Lieder lieber nicht geschrieben. Das Gute: Zurzeit spüren wir uns so sehr wie noch nie, wenn wir zusammen spielen, das ist wohltuend, aber eben auch emotional sehr anstrengend.

Würdest du eure Musik als dezidiert politisch bezeichnen?

Klez.e war für mich immer eine politische Band, die Texte waren nur so verklausuliert, dass es die wenigsten verstanden haben. Ich versuche erstmals, so direkt wie möglich zu sein. Das ist 2017, keine Zeit für Poesie.