Das Äffchen in mir
Jack Johnson, 30, Surferund Songschreiber, spaltet die Lager. Dabei tut er keiner Fliege etwas zuleide. Absolut "harmlos" und "einfach" sei er, sagt er. Ganz schön kokett, oder etwa nicht?
Mit Jack Johnson ist das so eine Sache. Einerseits macht er diese hübschen Folkpopsongs, die man eigentlich leiden mag, ja beinahe leiden mögen muß, andererseits schallt er einem inzwischen wirklich aus jedem Straßencafe, jeder Wohnküche und jedem Grundschullehrerinnen-Kleinwagen entgegen. So etwas hält der hübscheste Folkpopsong nicht lange aus. Einerseits hat dieser Mann zwei tolle Filme übers Surfen gemacht, andererseits spielt er seine brutal dezente Musik inzwischen in den dicksten Konzerthallen. Diese kleinen Lieder, unter der Sonne geboren, der nackten Freiheit entsprungen, eingeschlossen in Beton, umstellt von Tausenden von Menschen – ist das nicht fürchterlich?
Jack Johnson wird von erschreckend vielen Fans wie Verächtern gleichermaßen immer häufiger in einem Atemzug mit James Blum genannt. Blum ist zwar nicht der große Surfer-Sunnyboy, aber auch er springt in seinem Video am Meer herum – allerdings schneit es an seinem Meer, und man friert schon alleine vom Zuschauen. Blunt ist darüber hinaus noch nicht halb so lange im Geschäft wie sein hawaiianischer Kollege, und während sein Organ eher an eine um im maritimen Bild zu bleiben – Heulboje erinnert, ist Johnsons Stimme von einer freundlich-unaufdringlichen Samtigkeit. Punktsieg: Johnson.
Doch so ganz geheuer ist einem der Bursche trotzdem nicht. Und jetzt hat er auch noch einen Soundtrack für einen Kinderfilm gemacht – einen Zeichentrick-Kinderfilm. Auch wenn das Disney-Imperium dabei seine Finger nicht im Spiel hat: Phil Collins, ick hör‘ dir trapsen. Da scheint einer, mit den Crossover-Marketingmöglichkeiten seiner eigenen Trademark offenbar bestens vertraut, die nächste kommerzielle Plattform erklimmen zu wollen. Machen sie doch alle, das kann man ruhig zugeben… „Mmh…“ Jack Johnson ist am Telefon, und er klingt äußerst verdutzt. Er habe nicht im Traum an kommerziellen Erfolg gedacht, als er den Soundtrack schrieb, sagt er. Vielmehr sei die ganze Sache das Resultat von ein paar Zufällen gewesen. Eins kam zum anderen, und plötzlich waren zehn Songs da. Und dann sogar 13.
Dabei wollte er eigentlich nur „einen einzigen“ aufnehmen, weil die Damen und Herren von Universal ihn freundlich darum gebeten hatten. „Die mochten meine Musik schon lange, bevor ich damit erfolgreich wurde.“ Kokett, Herr Johnson, nicht ein bißchen zu kokett vielleicht… ? „Ich bin ein ganz einfacher Typ „, beteuert er: „Ich denke über so etwas nicht nach. Um ehrlich zu sein, habe ich da in letzter Zeit vielleicht sogar zu wenig drüber nachgedacht. Meine Frau ist gleichzeitig meine Managerin, und natürlich reden wir über gute Angebote und finanzielle Vorteile, die diese bringen können“, gibt er zu. „Und natürlich haben wir Berater, die uns zur Seite stehen. Doch eigentlich ist das Wichtigste meine Familie. Deshalb habe ich in letzter Zeit einige Dinge abgelehnt, auch wenn sie einen Haufen Geld gebracht hätten.“
So geht es auch erst einmal weiter, sagt Johnson. Noch könne er allerdings seinen zweijährigen Sohn überall mit hinnehmen, wenn er auf Tour ist.“ Aber wenn er älter wird und in die Schulegeht, trete ich kürzer. Das ist beschlossene Sache.“ Johnson spricht so gut wie ausschließlich von seiner Familie. Und von seinen Freunden, aber die gehören ja quasi dazu, zur Familie. Gute und wohlmeinende Freunde sind das: Sie mochten seine Songs, die er anfangs „eher für mich selbst“ schrieb, und gaben sie weiter. Und plötzlich ging diese Karriere los. Sie kam einfach angerollt. Wie eine von diesen großen Wellen, auf denen Johnson bevorzugt seine Freizeit verbringt. Johnson, der wahrscheinlich aus denselben Gründen Surfer geworden ist, wie Leute aus kleinen Dörfern in Mitteleuropa zum Beispiel Kohlbauern oder Landmaschinen-Technikerwerden („Man richtet sich einfach nach seinen Möglichkeiten“), ist wahrlich kein Mann kalter Berechnung. Er ist vielmehr ein einziger Sonnenschein, der zufällig mit 14 eine Gitarre in die Hand nahm und darauf herumklimperte. Johnson schreibt, weil er seinen Möglichkeiten folgt und wohl einfach den Platz einnimmt, den die Natur für ihn vorgesehen hat, keine komplizierten, fordernden Songs, sondern einfache Laissez-faire-Melodeien mit den passenden Texten.
Er macht sich keine Gedanken um den kniffligen Umgang mit popkultureller Musikgeschichte, sondern schlicht das, was ihm gefällt. Er mag, er unterstreicht es gerne noch: „Sonne, Wellen, Musik, Surfen, das Meer“ und, natürlich: „meine Freunde und meine Familie.“ Er macht sich keine Gedanken um sein Image. Er will: nichts Böses. Und gerne: seine Ruhe. „Ich lese selten, was über mich geschrieben wird. Dafür ist mir meine Freizeit einfach zu heilig. Ich freue mich ehrlich, wenn ich höre, daß ich mit einer Platte erfolgreich bin oder für irgendeinen Award vorgeschlagen wurde. Aber ich erfahre das irgendwie immerzuletzt“, sagt er. Und auch da lügt er nicht: Eben haben wir ihm erzählt, daß er für den Brit Award nominiert wurde. Und das war nicht gerade die heißeste Neuigkeit. Aber Jack Johnson hatte keine Ahnung.
Ganz ehrlich: Es ist nicht besonders spannend, sich mit Jack Johnson zu unterhalten. Man dreht sich bald im Kreis. Aber man tut das auch gerne, es ist wie ein Reigen. Unanstrengend. Stimmungserhellend. Sonnig. Man hört ihm gern eine Weile zu, wenn er von seinem Sohn erzählt oder die Zusammenarbeit mit seinen musikalischen Freunden G. Love und Ben Harper über den grünen Klee lobt. Dabei ist er weder außerordentlich charmant noch etwa besonders begabt darin, seine Geschichte möglichst fesselnd zu erzählen. Manchmal beschleicht einen gar das Gefühl, das einem kleine Kinder vermitteln, die enthusiastisch einen Witz erzählen möchten, aber schon im Vorfeld die Pointe versauen, ohne es zu merken. Man hört lächelnd zu, ohne sich anmerken zu lassen, daß man längst weiß, wo dieser Hase heute noch hinlaufen wird.
Johnson freut sich wie ein Kind, daß er Sing-A-Longs And Lullabies For The Film Curious George gemacht hat. Ehrlich. Denn, und da kommt die Pointe angehoppelt: „Manchmal glaube ich, Curious George, der kleine Affe, um den es im Film geht, ist ein wenig wie ich.“ Das neugierige Tierchen, so Johnson, sei „auf eine sehr verletzliche Art und Weise unbedarft. Manchmal macht er alles falsch, und mancher mißversteht ihn als einen Unruhestifter. Dabei ist er nur naiv. Er weiß es einfach nicht besser, ihm hat es niemand anders beigebracht.“ Jack Johnson denkt einen Moment nach. Und dann sagt er das, was man die ganze Zeit selbst auf der Zunge liegen hat, aber nicht laut aussprechen mag: „Wenn man in einem kleinen, abgeschiedenen Ort aufwächst, wie ich, dann kann man das leicht nachvollziehen. Ich habe schon als Kind diese Bücher gern gelesen. Curious George hat mich quasi durch mein Leben begleitet. Ich habe mich schon immer mit ihm identifiziert.“
Und so empfindet Jack Johnson es als große Ehre, daß aus einem Song zum Film ein ganzer Soundtrack wurde, daß er mit den Filmmusik-Komponisten auch an der Szenenmusik arbeiten durfte, daß er dem Affen, der ja nicht sprechen kann, mit seiner Musik quasi eine Stimme lieh. „Meine Musik ist nicht besonders abwechslungsreich“, weiß er. „Sie ist sogar sehr reduziert. Aber vielleicht ist das genau die Art Musik, die zu einem Kinderfilm paßt.“
Da liegt es also vor uns – das Erfolgsrezept von Jack Johnson: Seine Musik ist genau deshalb so erfolgreich, weil sie nicht besonders abwechslungsreich ist. Selbst seine Coverversion des White-Stripes-Songs „We Are Going To Be Friends“ klingt wie jeder Song auf ON AND ON, IN BETWEEN DREAMS oder dem Äffchen-Soundtrack. Und das mögen die Grundschullehrerinnen und die Mütter der Skater, die zuerst nur zu dem Sportler Johnson aufschauten, und die Fans von James Blunt, aber auch viele, sehr viele, die sonst gerne der Musik von Coldplay, Wir sind Helden oder Adam Green lauschen – und müßten die meisten Kohlbauern auf ihren Scheunenfesten nicht immer Micky Krause hören, sie würden es ganz bestimmt auch mögen.
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