Patti Smith – Horses
Aufgenommen: Sommer 1975, Electric Ladyland Studios, New York Produzent: John Cale Beste Songs: "Birdland"; "Break It Up" Höchste Chartsposition USA: 47
„Krise? Welche Krise?“, fragen Supertramp, während Peter Frampton live kommt, Yes das Tor zum Delirium durchschreiten, Roxy Music allmählich die Covergirls ausgehen und den Stones eh alles egal ist: Es ist nur Rock’n’Roll, aber sie mögen’s? Irrtum. Es ist eine schlimme Zeit. Und dann dies: eine simple Klavierfigur, eine Stimme, die“.Jesus died for somebody’s sins but not mine“ deklamiert, lauter wird, aggressiver, ein Riff, der hypnotische Beat von Baß und Schlagzeug, die Gitarre, die messerscharfe Licks abfeuert. Immer wilder geriert sich die Stimme, überschlägt sich, immer fiebriger wird der Groove, bis das Stürmen und Drängen in eine unwiderstehliche Klimax mündet: „G-l-o-r-i-a“, tönt die Sängerin.“.Gloria“ antwortet der Chor, wilder und wilder kreiselt der Song um sich selbst, endet in orgiastischer Raserei. Van Morrisons Garagen-Klassiker ist’s, den dieses struppige, androgyne, dem Bauch der Metropole New York entsprungene und auf den Bühnen des East Village gelandete Wesen namens Patti Smith hier zu neuem Leben erweckt. Sie vergöttert Burroughs und Rimbaud, Dylan und die Stones, Jim Morrison und John Coltrane, schreibt Gedichte, streams of consciousness. All das und viel mehr findet sich in HOR-SES, vereint sich mit der Persönlichkeit einer begnadeten Dilettantin, einer Künstlerin, einer Schamanin, die sich in Trance zu tanzen, zu flüstern, zu schreien scheint. Spokenword-poetry vor irrlichternden Soundkaskaden, ein Requiem für Jimi Hendrix, elektrische Energie, Primitivismus, Traumsequenzen, Meditationen über die Bibel und den Sex, Rock und Poesie, die in Punk überführt werden: Auch nach fast drei Dekaden lässt sich bei jedem Hören dieses narkotischen Meisterwerkes, das Kritiker Robert Christgau eine Übung in ..apokalyptischem Romantizismus‘ nannte, Neues entdecken. Ex-Velvet John Cale hat produziert lund Patti als Feindbild gedientl, Robert Mapplethorpe hat das stilbildende Coverfoto geschossen, Lenny Kaye, Richard Sohl, Ivan Kral und Jay Dee Daugherty haben die Visionen ihrer Frontfrau in quecksilbrig schimmernde Musik gegossen. Es ist, wird Patti Smith später sagen, das Werk einer Außenseiterin, die anderen Außenseitern zeigen wollte, daß sie nicht alleine sind. Nicht nur Michael Stipe liebt diese Platte über alles.