Haldern Pop – Rees-Haldern, Reitplatz


Wir wollen doch hier nicht über das Wetter reden. Aber wir müssen es tun.

Man muß sich das so vorstellen: Man sitzt zuhause, an dem Ort, an dem man am liebsten Musik hört. Zum Beispiel auf dem Sofa im Wohnzimmer. Man legt eine CD ein. und sobald der erste Song anläuft, geht’s los. Tapetenfetzen lösen sich von der Decke, Putz rieselt herunter. Staub vernebelt die Sicht und Holzspäne fallen von den Dachbalken ab, die mittlerweile durch die Löcher in der Decke zu sehen sind. Das ist eine eher unangenehme Vorstellung. Das kann dann schon ein bißchen von der Musik ablenken. Man muß sich Haldern Pop 2005 so vorstellen: Zwei Tage Dauerregen, ein Gelände, das noch vor dem Auftritt der ersten Band zum Acker geworden ist, Matsch und Schlamm und nasse Füße und dann, wenn du dich trotz Dauerregens dazu aufgerafft hast, Mando Diao zu sehen, wirst du die Entscheidung gleich wiederbereuen, weil pünktlich zum Auftritt der Schweden doppelt soviel Wasser vom Himmel fällt als zuvor. Das ist eine eher unangenehme Vorstellung. Das kann dann schon ein bißchen von der Musik ablenken. Dabei ist Haldern Pop ein legendäres, kleines Festival, von dem Eingeweihte nur Sagenhaftes zu berichten wissen: 40 Grad heiß sei es dort im vergangenen lahr gewesen. Nur gut, daß es den kleinen See gibt gleich hinter dem Festivalgelände. Im See hat Nina Persson gebadet. Nackt! Diesmal baden alle, eher unfreiwillig und nicht nackt. Aber: bevor das Festival losgeht, schon der erste Höhepunkt. Im „Spiegelzelt“ spielt am frühen Freitagnachmittag eine Sportfreunde-Stiller-Coverband, die sich bei näherem Hinsehen als Sportfreunde Stiller entpuppt. Es ist einer dieser Geheimgigs der Münchener, die so geheim sind, daß nicht einmal der Band nahestehende Journalisten davon erfahren. Inkl. Tocotronic-Cover „Die Welt kann mich nicht verstehen.“ Am frühen Abend ein weiterer Höhepunkt: Die Kaiser Chiefs, die durchaus in der Lage sind, einen ihrer legendären, schwitzigen Club-Gigs auf eine Open-air-Bühne im Regen und Matsch zu übertragen. Nur böse Menschen sprechen hier von „Stadion Rock“. Nach dem Auftritt der Kaiser Chiefs kommt es hinten im VIP-Zelt, wo die wichtigen Menschen im Trockenen sitzen, zu einem leichten Anfall von sympathischem Größenwahn. Kaiser-Chiefs-Sänger Ricky Wilson blättert zwischen zwei Interviews in der druckfrischen Ausgabe des musikexpress, findet die Seite mit der „Platte des Monats“, seiner „Platte des Monats“, sieht sich die Wertung an und fragt: „Worum haben wir nur fünfeinhalb Sterne bekommen?“ musikexpress: „Wegen, Na Na Na Na Naaa'“ Wilson: „Aber die Japaner mögen das doch!“ Genau, die Japaner, die mögen das. Anschließend betreten Franz Ferdinand die Bühne. Und, was sollen wir sagen – es ist nicht gut. Was vielleicht am Regen liegt, der langsam aufs Gemüt schlägt, auf jeden Fall aber daran, daß Alex Kapranos mit seiner Stimme immer eine Spur neben dem richtigen Ton liegt, seine Kollegen den ein oder anderen Einsatz verpassen, sogar musikalisch nicht ausgebildete Ohren ein paar handfeste Verspieler registrieren und das Publikum, das die „alten“ Hits erwartet, von einer Reihe neuer Songs einfach überfordert wird. Der sympathischste Auftritt des Festivals wird von einem Zufall verursacht. The Magic Numbers verpassen am Samstag morgen ihren Flieger in London und kommen zu spät in Haldern an. Als sie eintreffen, stehen schon The Coral auf der Hauptbühne, The Magic Numbers müssen ins „Spiegelzelt“ ausweichen. Das ist der passende und trockene Rahmen für die Musik der Londoner Neo-Hippies, die auf der Hauptbühne im Regen untergegangen wäre. Sonnenscheiniger Neo-Folk, der noch sonnenscheiniger wird durch die vier Sympathen, die da auf der Bühne stehen. Sänger Romeo Stodart grinst wie ein Honigkuchenpferd, als er sieht, daß das Publikum dieTexte mitsingt. Fragen Sie „den“ Moneybrother. Der hat sich das auch angesehen.

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