Gurten Festival – Bern-Wabern, Gurtenberg
Das Schweizer Curten-Festival punktet mir relaxtem Spirit - und zähmt sogar die hyperaktiven Elektropunks von The Prodigy.
Der Gurten: Hausberg der Stadt Bern und Naherholungsgebiet hoch über der Schweizer Bundeshauptstadt – der ideate Ort für gemütliche Lümmeleinen. Und an einem solch idyllisch-romantischen Ort soll eines der renommiertesten Festivals der Schweiz stattfinden? Tut es, und zwar rockt man dort schon länger als am Ring. Mit über 60.000 Besuchern ausverkauft, wurde der Gurten während vier Tagen mit insgesamt 40 Acts beinahe in die Versenkung gestampft. Tropische Hitze begrüßte donnerstags die ersten 11.000 Fans, die spätnachmittags von den Hives das erste echte Highlight serviert bekamen: Pelle Almqvuists Bewegungsdrang ist augenscheinlich temperaturunabhängig, und seine Band haute ihre furztrockenen Riffs heaus wie eine gut geölte Maschine. Gentleman machte danach mit einem souveränen Set aus einem Schweizer Sommerabend eine relaxte karibische Nacht. Dennoch war der Freitag musikalisch der ergiebigste Tag des 22. Gurtenfestivals. Patrice trotz der frühnachmittäglichen Glut mit einem präzise gespielten Set, bevor Dizzee Rascal dann die progressiv Interessierten unter den Bernern in die Zeltsauna der Eaststage lockte. Dann war es Zeit für die Schweden: Erst kämpften Mando Diao auf der Hauptbühne mit viel physischem Einsatz gegen das Handicap eines matschigen Live-Mixes, danach zogen The Soundtrack Of Our Lives bei weitem nicht so viele Hörer in die Eaststage. wie ihr perfekter Gig verdient gehabt hätte. Samstagabend. Pace-Flaggen zieren die Menge vor der Bühne, Satzfragmente wie“.Welt … Liebe… Friede … ertönen in gebrochenem Deutsch ausden Lautsprechern. Genau, der charismatische Botschafter des Friedens und Lebensfreude, Jovanotti, gibt sich die Ehre und wird wie immer vom Publikum geliebt. Erbebender Höhepunkt ist die zehnminütige Extensiwersion von „Lombelico Del Mondo“. Kann ein solches Bebennach Jovanotti noch weiter gehen? Mittlerweile umhüllt die tiefste Nacht den Gurten, die ideale Zeit für elektronische Hick-Hack-Beats und psychedelische Videoanimationen. Die Zeit der Chemical Brothers. Und wenn die sagen „My finger is on the button“, dann wird dieser Button auch gedrückt, und eine Druckwelle fegt über den Gurten hinweg. Orgiastische Wildwipperei nimmt den angespanntesten Beinmuskel in Beschlag.
Am vierten Tage sollst du ruhen – so präsentiert sich das Sonntagsprogramm: Flockig statt rockig, ohne Ecken und Kanten, ein Family-Day quasi. Die Söhne Mannheims. Juli. Silbermond, die Schweizer Britpopper Lovebugs – sie sind unbestritten gern gesehene Gäste (schließlich ist auch dieser Festivaltag ausverkauft), aber mehr als radiotaugliches Gepope und Scheinrocken ist das nicht. Käme danach nicht noch die liebliche Sharleen Spiteri, die im Ramones Shirt äußerst gut gelaunt auf der Bühne steht. Ein Texas-Hit folgt dem nächsten, inklusive drei neuer Stücke. Hitverdächtig ist noch keiner der neuen Songs, aber auf dem bald kommenden Album ist ja noch Platz für wirkliche Knaller. Zum Schluß noch dies: Prodigys Keith Flint gilt nicht gerade als entspannter Genießer. Trotzdem hat er auf dem Gurten das Gegenteil bewiesen. Die Band sollte fünf Minuten nach dem Auftritt runter vom Hügel und weg vom Festival gebracht werden. Die wunderbare Aussicht raubte den hyperaktiven Elektropunks jedoch jeglichen Tatendrang – sie hingen noch ganze zwei Stunden im Backstagebereich herum.
www.gurtenfestival.ch