The Singles


Bizarre heißt nicht nur ein Rockfestival, das es nicht mehr gibt, sondern auch ein Typ aus der D12-Posse von Eminem. „Rockstar“ (Sanctuary/ Rough Trade) ist ein augenzwinkernder Track, der textlich mit HipHop-Klischees spielt, und ein Hit dazu, weil er mit einer stumpfen Melodie und hübschen Streichersamples ausgeliefert wird. Eminem und Big Boi machen mit, nur, daß auf dem Cover geschrieben steht „produced by Eminem“, das geht dann irgendwie gar nicht.

Schon wieder Bloc Party. Jetzt könnte man rummosern, daß von den fünf Songs auf „Banquet“ (Wichita/V2/Rough Trade) zwei auf der „Bloc Party E.P.“ und einer auf Silent Alar, enthalten sind. Aber beiden neuen Variationen von „Banquet“ da bleibt, äh, kein Auge trocken.“.Another Version By The Glimmers“ klingt genauso, wie man sich einen Glimmers-Remix eines Bloc-Party-Songs vorstellt. Der „Cornelius Remix“ schert sich einen Dreck um das Tempo der Original-Vocals und baut zerhackten, geloopten Electro-Scheiß drumherum. Während die A&Rs bei den deutschen Plattenfirmen mit Schweiß auf der Stirn, Taschenrechner und Kalender auf dem Schreibtisch dasitzen und grübeln, ob und wann die Veröffentlichung des neuesten heißen Scheißes aus England „Sinn macht“ oder vielleicht doch das Jahresergebnis belasten würde, kommt aus England der noch neuere und noch heißere Scheiß, über dessen Veröffentlichung bei uns dann in ein paar Monaten nachgedacht wird. The Dead 60s aus Liverpool klingen auf „The Last Resort“ (Deltasonic, UK-Import) wie eine junge, frische Ausgabe von The Clash ohne englischen Akzent. In guter, alter Clash-Tradition gibt s auf den B-Seiten der beiden Singles atemberaubende Dub-Versionen.

Jason Forrest bleibt sich treu. Das heißt, er klingt auf der „Lady Fantasy EP /Sonig/Rough Trade) wieder ganz anders als auf seinen früheren Maxis und auf The Unrelentings Songs Of The Post 1979 Post Disco Clash. Ambient-Drone mit dem Ex-Gastr-Del-Sol-Mann David Grubbs (in echtl in „The Work Ahead Of Us“. Progrock mit schmirgeliger Jon-Lord-Orgel (gefühlt), der in hagelnde Breakbeats mündet und umgekehrt in „Lady Fantasy“. Niedlich-Pop-in-a-Forrest-Style in „The Lure Of You“ mit dem Gesang von Margareth Kamerer. Electro-70er-Rock-Breakbeat in „Sperry And Foil“. So viele Sachen für so wenig Geld.

Neil Fräser, der alte Pionier des digitalen Dub, hat sich „Das erste Mal“ (Hausmusik/lndigo) von Stereo Total hergenommen und vier „Dub Trips“ daraus destilliert. Das Ergebnis wird unter dem Namen Stereo Total Vs. Mad Professor veröffentlicht. Der Gesang von Francoise Cactus paßt vorzüglich zu den schillernden, glasklaren, spacey Effekten, die der Mad Professor in seiner Londoner Dub-Küche zubereitet hat.

Hamburgs einzige Motown-Band der Welt hat sich ganz schön was einfallen lassen für die „Bitte verlass mich EP“ (L’age D’or/Rough Trade). Neben einem neuen Song („Eine schärfere Welt“), zwei Neumixen von Album-Tracks [„Bitte verlass mich“. „Ich mag den Mann nicht, der ich bin“) und einem Live-in-Kötn-Song („Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen“) haben Superpunk den Joseph Kardinal Ratzinger unter den Coverversionen aufgenommen: „He’s So Fine“ von den Chiffons, das einst George Harrison zu „My Sweet Lord“ inspirierte, holpert und stolpert in schlechtem Englisch daher, daß es eine Freude ist.

It’s a London Thing: The Rakes sind auch wieder so eine englische Band, die ihren frühen Ruhm durch eine Handvoll Singles begründet hat, zum Beispiel das grandiose „Strasbourg“, das auch auf der EP „Retreat“ (V2/Rough Trade) drauf ist. Der Rest: Franz Ferdinandesker. Wiresker Gitarrenrock mit Punk-Einschlag.

Jessas, da hat er mal nicht übertrieben, der nette Labelbesitzer, als er vor ein paar Monaten die neue Rock-Sensation ankündigte: Suzie Rock, ein Trio mit Frau (Heike Jörss, Baß, Gesang, Regensburg), Mann (Jimmy Himmer, Gitarre, Dresden) und Mann (Rene Lützner, Schlagzeug, Dresden). „O.K.“ (Strunz!/Rough Trade) erfindet die Rock-Punk-Metal- Emo-Post-L7-Musik zwar nicht neu, kommt aber mit einer Sofort-auf-die-12-Energie daher, daß sich andere, die sich an derartiger Musik versuchen, mit hochrotem Kopf in die Ecke stellen sollten, wenn da nicht schon Courtney Love stehen würde, die sich schämt.

Leser, fühlst Du Dich überfordert, wenn man Dir in einer Rubrik gleich drei neue Bands aus England ans Herz legt? Probieren wir’s aus: Towers Of London klingen auf „On A Noose“ (TVT/SPV) wie Suzie Rock nur mit englischem Gesang. Also Feuer-unterm-Arsch-punky-Rock, der mit jedem Hören ein bißchen größer wird. Und alles jenseits von „indie“.

—Viel Zeug ist drauf auf „Nur ein Wort“ (Reklamation Records/Labels/EMI/Capitol), der neuen Single von Wir sind Helden, die eher eine EP ist. Drauf ist zum Beispiel eine Live-Version von „Halt dich an deiner Liebe fest (Ton Steine Scherben], vom 2003er Tourabschlußkonzert in Berlin. Und der erste Wir-sind-Helden-Remix ever: „Gekommen, um zu bleiben – Moonbootica Remix‘. KoweSix und Tobitob machen einen (acid-)housigen Stampfer daraus. Und zwei Demos von „Nur ein Wort“, wobei das aus dem Jahr 2001 der Sieger ist mit seiner F.R.-David“Words“-Interpolation. Und dann wäre da noch Mark Tavassols „Abendbrot Remix“ inkl. Heavy-Guitar’n’Synth-Power aus dem iBook und einem schönen Rülpser.