Liebesliedlos glücklich


Nach sieben Jahren bei Ash wagt Charlotte Hatherley ein Soloalbum. Ihre Bandkollegen dürfen sich schon mal Sorgen machen.

Am nächsten Morgen war er weg. Während sie schlief, hatte er sich aus dem Bett gestohlen, war mit ihrer Gitarre unter dem Arm getürmt, und als sie aufwachte, fand sie das Geld, das er für seine Beute zurückgelassen hatte. Es war ein verdammter Fehler, diesen spanischen Charmeur mit aufs Zimmer zu nehmen, zürnte sie und spürte den Restalkohol in ihrem Blut…

Hand aufs Herz, Miss Hatherley: Was ist dran an der Geschichte des folgenreichen One-Night-Stands, von dem „Bastardo“ erzählt, das Schlusslied Ihres Solodebüts? „Nicht viel“, lacht die Dichterin durch ihre dunklen Strähnen hindurch. „Ehrlich gesagt ist es der einzige Song auf der Platte, der keinen autobiografischen Hintergrund hat. Die übrigen Songs handeln von mir oder den Erlebnissen enger Freunde, und ich bin stolz, dass kein einziges Liebeslied darunter ist.“ Sagt Charlotte Hatherley, 25 und Gitarristin bei Ash, der irischen Punk-Pop-Band, deren Erfolg maßgeblich auf den – in letzter Zeit wieder in schrofferen Rock gehüllten – Liebesliedern von Tim Wheeler fußt. „Ich wollte mich mit meinem Soloalbum nicht bewusst von Ash abgrenzen“ – aber getan hat sie’s zum Glück doch: GREY WILL FADE ist ein selbstbewusster, gern experimenteller Vorstoß in Rieh tung Pop und hat in Großbritannien (wo die Platte bereits vergangenen Sommer veröffentlicht wurde) von Fans wie Kritikern fast ausnahmslos bessere Noten bekommen als das letzte Ash Album MELTDOWN. „Vielleicht war es ein guter Kompromiss, die Songs daheim im verregneten London zu schreiben, dann aber während der Tourpause von Ash in LA. aufzunehmen. Die Musik klingt sonnig, sehr kalifornisch, aber aus den Texten spricht mein typisch englischer Zynismus.“ Jahrelang, sagt Hatherley, habe sie an ihren Songwriting-Fähigkeiten gezweifelt. Bis „Grey Will Fade“, ihr erstes Stück für Ash, 2002 auf die B-Seite der Single „There’s A Star“ und bei einem Fan-Poll unter die Ash-Allzeit-Top-3 kam. Gut zwei Jahre später gab sie ihr Liedgut in die Hände des Produzenten Eric Drew Feldman, einst in Diensten von Captain Beefheart und Pere Ubu. „Ich habe das Glück, dass eine Freundin ihn geheiratet hat. Der hab‘ ich meine Demos geschickt, sie hat sie ihm gegeben, und ein paarTage daraufkam eineMail von Eric: Wann es denn losgehen könne?“ Die Jungs von Ash, meint Charlotte, mögen das Album. „Warum sollten sie auch nicht? Ash hat nach wie vor Priorität für mich.“ Wird sie das so in fünf Jahren noch sagen? „Hm. In fünf Jahren ist Tim 32. Vielleicht ist er dann derjenige, der andere Prioritäten hat.“

www.charlottehatherley.com