Virginia Jetzt! Köln, Gebäude 9


Komplett kokett haben Virginia Jetzt! ihr zweites Album "Anfänger" genannt. Live und mit fabelhaften Popsongs beweisen sie, dass sie längst keine mehr sind.

Da sind sie wieder: die mit dem Image der Niedlichen. Die Sanften. Die Mädchenmusikhersteller. Die vier aus dem brandenburgischen Elsterwerda, die ihre Musik zur ewigen Klassenfahrt der Liebe erklärt haben. Aus der man aber – jawohl – ohne weiteres ein paar hübsche Ironiesollbruchstellen heraushören kann. „Love ls In The Air“ läuft als Intro zum Liveauftritt, und als John Paul Young das sang, waren Thomas Dörschel, Nino Skrotzki, Mathias Hielscher und Angelo Gräbs noch ein wilder Blick in den Augen ihrer guten Eltern. Wahr bleibt die meteorologisch-emotionale Zustandsbeschreibung des Herrn Young trotzdem. Weil Virginia Jetzt! alles dafür geben.

Was im Live-Format vor allem heißt: weniger Gitarren-Geschrammel, mehr Tasteninstrumente; Songschreiber und Texter Thomas Dörschel eifert mit Erfolg und ohne der Blaupauserei anheim zu fallen seinem erklärten Liebling Ben Folds nach. „Melodieversessen sein nennt Dörschel das. und wir wollen es großen Pop nennen. Mit Emphase. Leidenschaft. Liebe. Und neuerdings auch mit Themen wie Tod und Schmerz. Im Titelstück, das mit seinem perfekten Arrangement an Prefab Sprout erinnert, lässt Thomas Oörschel Virginia-Sänger Nino Skrotzki „In allem, was wir tun/Steckt ein ganzes Leben “ singen: wie wahrhaftig und zugleich erschreckend wahr. Und in „Liebeslieder“ haken sich Möglichkeit und Unmöglichkeit des Daseins zu zweit beherzt ein: „Und ich will Liebeslieder schreiben/ Die so nah sind am Gefühl/ Die so wahr sind und so weh tun/dass sie keiner hören will“ – während es in „Ein ganzer Sommer“ extrem geradeaus zur Sache geht: „Zuerst kommt der Blitz/ Dann kommt der Donner/ Und am Ende ein ganzer Sommer“.

Das ist sprachliche Verknappung auf höchstem Niveau, das ist Mädchenmusik für ihn. sie. es und Unentschiedene – und wird genauso gekonnt dargeboten wie die Lieder vom Debüt. „Mein sein“. „Fast wie Giganten“. „Von guten Eltern“. Wobei für Menschen mit extrem ausgeprägtem Pop-Gen noch erschwerend hinzukommt, dass der ganze Gefühlssalat in einem Sound serviert wird, der verdammt nahe am Perfektionspophügel angesiedelt ist. Balkon bierwetter ist für dieses Jahr passe, ein wunderbares Gefühl von Sommer aber bleibt; man muss es im Herzen nur zulassen. Merci, Virginia Jetzt I: Es war Liebe in der Luft.