Singles
von Albert Koch
I Das Disco-Revival macht’s möglich, dass Cerrone, der in den Siebzigern als französischer Giorgio Moroder galt, auch in den Nullern seine 15 minutes of fame bekommt. Sein „Supernature“ lUrban/Universal) war 1976 der Disco-Hit, wurde 17 2 Milliarden Mal verkauft und überhaupt. Hier hat’s den „Nu Soul Edit“, einige zu vernachlässigende Remixe ITanaglia, Ugo & Snaz, Johan S) sowie eine Liveversion Luve From Papagayo „l, die kein Schwein braucht. Kaufen Sie diese Single bitte nicht, besorgen Sie sich lieber das Original oder spenden Sie sechs Euro für einen guten Zweck.
Im amerikanischen Erwachsenen-Country-Pop scheint I eine schleichende Schlagerisierung im Gang zu sein. Erst macht Jewel dieses grauenhaft überzuckerte THIS WAY-Album, und jetzt ist auch das nie so recht in Avantgarde-Verdacht gestandene, jüngst 40 Jahre alt gewordene Berufs-Girlie Sheryl Crow vom Ralph-Siegel-Virus infiziert. „Soak Up The Sun“ (A&M/Motor Musicl ist ein banaler Erwachsenen-Sonnenschein-Sha-La-La-Singsang, bei dem sich die Fußnägel aufrollen. Wenn Corinna May bei der nächsten Grand-Prix-Vorentscheidung keine Zeit hat, lieber Ralph Siegel, Sheryl Crow ist ein guter Ersatz.
Schön, dass zwischen all der akustischen Umweltverschmutzung, die sich diesen Monat im Singleskasten breit macht, auch einmal ein sehendes Huhn ein Korn findet. Die berühmten Gorillaz (Dämon Albarn, Dan The Automator usw.) haben das downbeatig triphoppige“.Tomorrow Comes Today“ (Parlophone/EMI) als Single ausgekoppelt, weil offensichtlich ihre marketingstrategische Verweigerungstaktik doch nicht so weit geht, um mit dieser Single nicht auf die demnächst erscheinende Raritätencompilation G-SIDES hinzuweisen.“.Tomorrow Comes Today“, das im Original schon genug vom Geist Lee Perrys und Ennio Morricones atmet, wird im“.Tomorrow Dub‘ noch ätherischer. Und dann hat’s noch das etwas anstrengende Instrumental .Film Music“.
i Das hier fällt in die Abteilung „Peinlichkeiten von deutschen Schlagerstars, die den I Absprung nicht geschafft haben“. Guildo Hörn hat aus Gründen, die sich dem Autor nicht ganz erschließen, eine“.lustige“ Version von“.Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ (EMU aufgenommen. Dazu gibt’s noch mit „Käpt’n Hörn“ die deutsche Fassung von Oliver Onions'“.Flying Through The Air “ (auch lustig]. Guildo, was ist los? Weißt du noch, als wir einst an einem lauschigen Sommernachmittag im Augustiner-Biergarten in München saßen und du dich lobend über die „Nahrung“ im Süden Deutschlands äußertest? Das waren noch Zeiten etc.pp.
Es wird nicht besser. „Why Are You Leaving“ (Virgin) von Liquido ist ein derart unverschämter Rip-Off aus „We Didn’t Start The Fire“ von Billy Joel, „Ifs The End Of The World As We Know It)“ von R.E.M. und „Funky Town “ von Lipps Inc., dass dem Rezensenten die Worte fehlen. Der Nächste bitte.
Mapstation, das wissen aufmerksame Leser, ist ein Elektronik-Projekt von Stefan Schneider ITo Rococo Rotl. Und der hat sich für“.New Direction‘ IStaubgold/Groove Attack] – was eher selten vorkommt – einen Sänger geleistet: Ras Donovan alias Kenrick Blaize. Dessen Storyteller-Style passt vorzüglich zu Schneiders minimalistischem Mikro-Beat-Gefricket. Dasselbe gibt’s dann nochmal in einer Instrumental- und einer A-cappella-Version sowie den Instrumental-Track „Stop“, eine Art Clicks & Cuts-Miniatur für den Chili Out.
Den Pet Shop Boys gegenüber ist der Rezensent Ihres Vertrauens seit Jahren eher freundlich gesonnen. Wer Großtaten wie „Rent“ oder „Opportunities “ geleistet hat, verdient Bewunderung. Aber, liebe Leute, „Home And Dry“ IParlophone/EMI] geht nun wirklich überhaupt nicht. Das ist schluffige, langweilige Achtziger-Jahre-Kacke für Friseusen im heiratsfähigen Alter.
Slut aus Ingolstadt sind für Deutschland so was wie die Strokes für die Welt: Sie retten den Rock, aber so was von. Die EP „Teardrops“ IVirgin) bietet sympathischen Indie-Schrammelpop, dezent euphorisch (im Titelsong), kontemplativ („Credits“), geschichts- (imYa- zoo-Cover „Only You“) und heimatverbunden lin dem in boarischer Mundart vorgetragenen“.Home“). Das ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss, aber sehr, sehr charmant.
Der Rock, die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern, kommt nicht nur zurück, er ist ja längst wieder da. Dank solcher Bands wie dem Indie-Power-Noise-Trio Yeah Yeah Yeahs aus New York. Deren „Yeah Yeah Yeahs EP“ (Wichita/Clearspot/Efal ist ein schwitzend heißer Bastard aus Jon Spencer Blues Explosion, Boss Hog, The Cramps, einem Schuss Garagen-Glam-Trash und einer gehörigen Portion“.Street“. Und „Our Time“, eine Art Coverversion von „Crimson & Clover“, macht diesen ziemlich gruseligen Schmachtfetzen von Tommy James & The Shondells zum ersten Mal anhörbar.