ES NE-ERVT!!!
Eine in der freien Wildbahn der konzertanten Unterhaltungsveranstaltungen immer wieder anzutreffende Unterfamilie von Nervensägen ist die der sog. Plaudertasche. Die Vertreter dieser Familie erregen durch ein charakteristisch überentwickeltes Mitteilungsbedürfnis, das sich auch während laufender Konzertveranstaltungen manifestiert und besonders dann massive Beeinträchtigungen des enjoyments der Veranstaltung zeitigt, den Unmut ihrer Wirte. Eine der irritierendsten Unterarten der Plaudertaschen ist der Popkultur-Sachverständige (PKS). Dem PKS erschließen sich popmusikalische Darbietungen verstärkt auf einer rational-theoretischen Ebene (bei einer Sonderform, dem Nerd, ist die Verkopfung mithin so weit fortgeschritten, dass ein emotionaler Zugang gänzlich verbaut ist). So ist der PKS ständig dabei, seine Großhirn-Festplatte nach Hintergrundinformationen, Referenzen, Zitaten, Anspielungen sowie Belegen für die offensichtliche Irrelevanz von Kazoo-Soli im Kontext afrodiasporischer Klangwelten zu scannen. Dabei gewonnene Erkenntnisse werden blitzschnell verarbeitet und in Form feuilletonistisch-schnittigerTiraden, beißend ironischer Bonmots, kritischer Denkanstöße oder anspielungsreicher Vorträge unverzüglich an den Wirt weiterkommuniziert. Die Performance stütze sich ja wohl etwas ungeschickt auf den minimalistischen Entwurf, den Bands wie x oder y schon auf ihren – sträflich unterschätzten -Alben in den frühen 8oern formuliert hätten. Halte die Band nicht wunderbar die Balance zwischen ideosynkratischer Selbstreferenzialität und irgendwas anderem, das man gerade nicht mitgekriegt hat? Außerdem, und das müsse mal gesagt werden, sei jene Band ohnehin überbewertet. Ein Eingehen des Gegenübers auf seine Ausführungen ist für den PKS von untergeordneter Bedeutung. Weil demonstratives Desinteresse oder das Vorschützen akustisch bedingter Verständnisschwierigkeiten somit als Mittel zum Selbstschutz weitgehend unwirksam bleiben, ist der brauchbarste Schutz vor dem PKS weiterhin die Flucht eingeleitet mit rituellen Floskeln wie „Ich geh mir mal ein Bier holen“ oder „ich muss mal aufs Klo“.
Lesen Sie demnächst in der unvollständigen Enzyklopädie der konzertanten Nervtöter. Der Hobby-Musiker, Das Überdrehte Clriie, Der Wilde Tänzer, Der Security-Mann