The Pretenders: Prag, Arena Theater
WAS HAT CHRISSIE HYNDE AN DIESEM ABEND GELITTEN. EINE „Neudefinition des Begriffs ‚Progrock'“ hatte sie noch zu Beginn des Sets angekündigt, zehn Minuten später rannte sie im Kreis und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Die zweite Strophe der neuen Ballade „From The Heart Down“ wollte ihr partout nicht einfallen, die Band mußte mit endlosen Drei-Akkorde-Loops aushelfen, bis Mrs. Hynde nach einem „mmh-mmh-la-la“ frustriert zum Refrain abkürzte. In den 70ern war sie selbst Musikjournalistin für den englischen NME, und sie erinnert sich wohl noch gut daran, wie sich ihr damals bei solchen Aussetzern die Nackenhaare aufstellten – so präsentiert man auf keinen Fall ein neues Album vor der aus aller Welt angereisten Journaille. Und das war erst der Anfang. An einer melodisch lebenswichtigen Stelle in „I Stand By You“ das gleiche nervöse Debakel nochmal, und als sie von Bassist Andy Hobson während dem eigentlich schon 1998 live erprobten „Legalise Me“ unauffällig darauf hingewiesen wurde, statt A doch besser den G-Akkord zu spielen, war Hynde endgültig stocksauer. Die Trägerin eines „Best Female Rock Guitarist Award“ (verliehen von Gibson 1996) stellte ihre Glitzer-Telecaster beiseite, faßte sich ein Herz und brachte alle mögliche Konzentration und Professionalität aus 20 Jahren Erfahrung auf, um den Abend zu retten. Und, Hut ab, Chrissie Hynde arbeitete das kritische Publikum tapfer von höflichem Abwarten durch skeptisches Stirnrunzeln zu begeistertem Applaus. Eingeleitet wurde der Stimmungswandel durch einen altbewährten Schachzug: Sie könne gar nicht so gut Songs schreiben, betont Frau Hynde mit reizendem Understatement immer wieder gerne, und so spielen die Pretenders bisweilen überraschende Coverversionen. Nach Radioheads „Creep“ (….. I wish I was special“ als bescheideneres Gegenüber von „…I’m Special“ in „Brass In Pocket“?) )der der Chip Taylor Country-Nummer „Angel Of The Morning“ hat sich Chrissie Hynde für den Abend in Prag an einen Song gewagt, der ihrer Charakter-Stimme einiges abverlangte: Der Charles Trenet Chanson-Klassiker „I Wish You Love“ (interpretiert u.a. schon von Sinatra, Streisand und Chet Baker) kam so feminin, präzise und gelassen, daß vorausgegangene Ungeschicklichkeiten auf einen Schlag vergessen waren. Auch wenn sie selbst nicht ganz zufrieden war, der Abend zeigte eine sympathische Bandleaderin hinter der bröckelnden Rock’n’Roll’n'“LmaA“-Fassade, die sich im Griff und ein Repertoire in der Tasche hat, das keine Fragen offen läßt.