Busta Rhymes


Er hat ein großes Maul und einen ausgeprägten Sinn für medienwirksame Auftritte. Trotzdem zündet Busto Rhymes mit seinem dritten Album die nächste Karrierestufe.

ARME ÖFFNEN SICH ZU METERLANGER Spannbreite. Augen leuchten, der Mund verzieht sich zu einem Grinsen, einem Lachen und öffnet sich immer weiter, bis schließlich ein Tennisball darin umherspringen könnte. Ein langgezogener Schrei erfüllt das Hotelzimmer, ein Wort aus Dutzenden von Vokalen und einem einzigen Konsonanten: „Aaaaaaaaaeeit!“ Die Anspannung weicht, alle fallen sich in die Arme, Telefone klingeln, Flaschen werden entkorkt. Der Löwe hat geschrien. Die Beute, die diese umgangssprachliche Eruption des Wortes „alright“ hervorrief, lief vor wenigen Sekunden im Fernsehen und war des Löwen neuestes Video, das an diesem Nachmittag seine Premiere feierte – auf MTV. Busta Rhymes, König des Dschungels, und der weltumspannende Videokanal bilden eine perfekte Symbiose – beide wissen, was sie aneinander haben. „Ich liebe die große Vorstellung“, bemerkt Busta, „sie hilft mir dabei, von vielen Menschen wahrgenommen zu werden. Ich möchte dreißigtausend Leute vor mir sehen, wenn ich auf die Bühne gehe, und MTV macht das möglich.“

Rhymes dankt es dem Sender mit Auftritten, bei denen er regelmäßig allen Anwesenden die Show stiehlt, aus dem Bildschirm springt, als Boxer und Clown, als Rocky und Eddie Murphy zugleich. Das ist everybodys Busta, MTVs schriller Geck, für die Ladies ein seidiger Beau, für die Kids der lustige Mann mit dem großen Mund, für die Studenten der ironische Analytiker. Dabei aber immer genug dunkler Punk für die Straße. Und natürlichist das Millennium, bereits Thema der ersten beiden Platten, jetzt auf „Extinction Level Event – The Final World Front“ zum übergroßem Atompilz erwachsen. „Daddy, wie wird es sein im Jahr 2000?“ fragt ein kleines Mädchen zu Beginn der neuen Platte. Der Vater, echte Sorge in der Stimme, antwortet: „Nun, Mäuschen, für dich wünsche ich mir nur Milch und Honig, aber ich fürchte, das Ende ist nah“ – und ergeht sich über Minuten in einer desaströsen Zukunftsvision. Doch bevor wir uns alle vom Balkon stürzen, kommt das kleine Mädchen zurück und piepst mit hörbarem Spaß „Wow, ich kann es kaum noch erwarten!“ Ist das die Botschaft? Das Fegefeuer nur ein Videospiel?

Busta Rhymes weiß es auch nicht. „Es geht darum, echte Information zu vermitteln“, relativiert er seine dunklen Prophezeiungen, „aber in einer attraktiven Form, die es den Leuten möglich macht, sich mit den Sachen auseinaderzusetzen, ohne daß es ihnen jemand auf den Kopfhaut. Ich sage nicht, was die Leute tun sollen, ich sage auch nicht, daß ich mehr weiß als andere. Ich stelle nur Sachen raus, die man sich von Zeit zu Zeit angucken kann.“ Börsencrash, Computercrash, Demokratie, ein Präsident, der stundenlang vor der Kamera sitzt und wie ein Idiot aussieht, weil er vielleicht im falschen Moment die Hosen runterließ. Immer wieder skurriler Nebeneffekt dabei ist, von Rhymes, diesem erklärten Vertreter der unterdrückten Minderheit, gesagt zu bekommen, wie fatal es wird, wenn die Menschen, die jetzt MilHonen auf dem Konto haben, mit einem Schlag alles verlieren. Natürlich – er meint nur die Leute, die vor kurzem noch der Schrecken der US-Gesellschaft waren: Schwarze aus dem Ghetto, die inzwischen junge Millionäre sind:. „Ein Junge aus dem Viertel, der auf der Basis eines Single-Hits eben mal einen 30-Millionen-Deal abschließt das ist eine Gefahr. Die Leute sind korrupt, weil sie gar keine andere Chance haben. Das zusammen mit der Tatsache, daß Politiker ohnehin korrupt sind, macht die Situation so unberechenbar.“ Verschwörungstheorien hin, Widersprüche her das alles hat seinen Platz im großen Unterhaltungsreigen. Und solange es dazu beiträgt, die Situation spannend und Bustas Mitteilungsdrang auf- recht zu erhalten, ist alles gut. Am Ende des Tages ist der Mann, den seine Mutter Trevor Smith nennt, ein Entertainer, was im Zusammenklang Rhymes‘ wachsenden Popularität unter weißen Hörern und der musikalischen Erweiterung dazu führt, daß in der HipHop-Szene offen darüber diskutiert wird, ob Busta noch „real“, noch authentisch ist. Da brüllt der Löwe: „Was für ein Scheiß! Niemand hat Probleme damit, mich als real zu identifizieren. Ich repräsentiere mich selbst! Fuck that! Ich habe nichts verändert. Alles, was ich tue, ist weitermachen und wachsen. Es sind dieselben Wurzeln, es ist derselbe Baum. Er hat nur mehr Blätter und mehr Äste.“

Und was für Äste – so dick, daß auch Ozzy Osbourne darauf Platz findet, der den alten Black Sabbath-Smasher „Iron Man“ mit Beats und Busta-Geschrei als „This Means War“ neu interpretiert. Oder Janet lackson, die an anderer Stelle das obligatorische Schmuseduett in den Pop-Olymp hievt. Aber das ist erst der Anfang eines Masterplans. Nicht HipHop, sondern Leben ist Herausforderung. Für etwas kämpfen, auf die Reise gehen. Sich im klaren sein über die persönlichen und inhaltlichen Ziele. HipHop ist nur der Mechanismus. Wobei es Rhymes (wie den meisten anderen Rappern nach der zweiten Platte auch) besonders darum geht, die Existenz seiner Familie abzusichern: „Meine Mutter, mein Sohn, mein Bruder, mein Mädchen, (man beachte die Reihenfolge) mein Vater, meine guten Freunde wir müssen da durchkommen. Wenn das klar ist, reiche ich allen anderen die Hand.“ Lind damit das klar ist, betreibt Busta Rhymes die Wu-Tang-Strategie und vergrößert den persönlichen Radius mit eigener Plattenfirma, Management, Fernsehshows und, natürlich, Mode. Die „Bushi“ benannte Linie wird, wie er betont, nicht etwa zwischen Wu-Wear und Phat Farm, sondern neben Versace und Gaultier hängen – was niemand, der Rhymes in den letzten Jahren verfolgt hat, bezweifeln dürfte. Das Ornament von Gaultier, die Farbigkeit von George Clinton. Alles ist erlaubt, nur nicht das standardisierte HipHop-Outfit. Schließlich geht es nicht um Brooklyn, es geht um die ganze Welt: „Lacht euch kaputt und seht dabei zu, wie Busta Rhymes eine neue Stufe von Performance emporsteigt!“ Ja, er hat ein großes Maul. So wie Mick Jagger und Steven Tyler. Aber nur eines wird nach der Jahrtausendwende noch größer sein als davor.