Captain Beefheart


Als Überzeugungstäter wider Kommerzklänge schrieb Captain Beefheart Musikgeschichte. Bis in die letzte Konsequenz: Vor zwölf Jahren tauschte er Musik gegen Malerei. Eine Ausstellung in Bielefeld (l.) würdigt nun sein Schaffen.

„Wann immer sich eine Chance für den kommerziellen Erfolg bot“, behauptet Beefheart-Kenner Henry Kaiser, „begann der Captain zu sabotieren.“ Erfolgreich, darf man hinzufügen, denn immerhin gelang es dem Kult-Kapitän, als einer der einflußreichsten Musiker der letzten 25 Jahre ein ewiger Geheimtip zu bleiben.

Punks und Avantgardisten berufen sich auf seine Musik, und die abseitige Intensität eines Tom Waits wäre ohne den freigeistigen Captain Beefheart & His Magic Band ebenfalls nicht denkbar. „Trout Mask Replica“, eine der exzentrischsten Rock-Platten der 60er Jahre, landete in der ME/Sounds-Bestenliste der „100 Meisterwerke“ immerhin auf Rang 21. Doch die Binsenweisheit, nach der Kunst und Kommerz sich ausschließen, hielt die Verkaufszahlen, wie auch bei seinen späteren Werken, in engen Grenzen.

Musiker aller Coleur —- von den B 52″s über Pere Ubu bis zu den Talking Heads —- zitieren ihn allerdings als geistigen Vater, mit dem Album-Sampler „Fast ’n Bulbous“ erwiesen ihm Bands von XTC bis Sonic Youth ihre Reverenz, und Beefhearts Ex-Manager und -Gitarrist Gary Lucas läßt derzeit mit den „Killer Shrews“ den Sound der „Magic Band“ wiederauferstehen.

Die Rolle des Außenseiters scheint Beefheart —- geboren als Don Van Vliet am 15.1.1941 im kalifornischen Glendale —- seit Kindheit an auf den Leib geschneidert: In jungen Jahren stellte er fest, daß Kindergärten nichts taugen, unterhielt sich lieber mit den gefangenen Löwen im Zoo und kreierte bizarre Lehmfiguren, was ihm bereits als 11jährigen die Einladung einer Kunstschule bescherte. 1964 lernte er Frank Zappa kennen, mit dem er Drehbuch und Soundtrack für einen nie realisierten Film schrieb: „Captain Beefheart And The Grünt People.“ Er übernahm den Namen des fiktiven Hauptakteurs und entschied sich ein Jahre später, die Welt fortan mit Musik zu beglücken — ausgerüstet mit einer Stimme irgendwo zwischen John Lee Hooker, Frank Sinatra und Max Schmeling.

Für Herb Alperts A&M Records nahm Beefheart eine Handvoll selbstkomponierter Blues-Songs auf, die den Erwartungen des Plattenbosses allerdings wenig entsprachen: „No commercial potential“, die Bänder lagen bis Mitte der 80er Jahre auf Eis.

Für das grandiose Debütalbum „Safe As Milk“ (das Musik-Magazin „Crawdaddy“ bezeichnete es verzückt als „Folkblues aus dem 21. Jahrhundert“) konnte Beefheart schließlich den jungen Gitarren-Champion Ry Cooder gewinnen, der jedoch kurz vor dem geplanten Auftritt beim Monterey Pop Festival die Magic Band wieder verließ: Der imageträchtige Gig wurde abgeblasen, der durchschlagende Erfolg blieb aus.

Während um ihn herum Hippies die Botschaft von Frieden und Liebe verkündeten, während die scheinbar rebellische Popmusik im Handumdrehen von der Mode- und Plattenindustrie vermarktet wurde, schuf der Captain sein eigenes Klang-Universum.

Dem Improvisationsdrang seiner Mitmusiker begegnete der egozentrische Beefheart dabei stets mit kompromißloser „Bandleader-Attitude: „Ich bestimme allein, wer was wann spielt, es brich/ einfach aus mir heraus. Der Künstler hin ich.“

Wer als inspirierende Kraft hinter experimentellen Klängen und kurioser Wortgymnastik bewußtseinserweiternde Drogen vermutete, lag falsch: „Ich nehme keine Drogen“, versicherte Beefheart in seinen raren Interviews und fügte selbstbewußt hinzu: „Ich bin eine Droge.“

Doch auch die schnöde Realität hatte allerhand zu bieten, auf Zappas „Straight-Label“ veröffentlichte Beefheart „Traut Mask Replica“ und „Lick My Decals Off, Baby“, beide von den Kritikern hochgelobt, von den Plattenkäufern jedoch sträflich übersehen. Beefheart und Zappa arbeiteten 1969 -— von der kurzlebigen College-Band „The Soots“ einmal abgesehen -— auch erstmals zusammen. Für Zappas „Hot Rats“-Album steuerte Beefheart den Song „Willie The Pimp“ bei, später arbeitete man für „Bongo Fury“ zusammen. Nach privaten Streitereien löste sich Beefheart jedoch aus der Ägide des Chef-Avantgardisten, um Mitte der 70er konventionellere Rock-Alben zu produzieren.

„Bluejeans & Moonbeams“, von puristischen Beefheart-Fans verschmäht, enthielt mit „Same Old Blues“ erstmals eine kommerziell erfolgreiche Single. Beefheart gab sich dennoch gewohnt nüchtern: „Ich tue, was ich tun muß. Das Publikum ist mir völlig egal.“

Mit „Doc At The Radar Station“ und „Ice Cream For Crow“ besann sich Beefheart Anfang der 80er wieder auf die krude Unberechenbarkeit seiner Frühwerke, doch 1982 zog er sich endgültig aus dem Musikgeschäft zurück, um fortan sein beachtliches Talent als Maler auszuleben: „Ich habe als Musiker getan, was ich konnte“, begründete Beefheart seinen Rücktritt, „doch die Malerei macht mir mittlerweile wesentlich mehr Spaß. Farbe redet nicht und erlaubt mir sogar, Fehler zu machen. Außerdem habe ich es satt, ,Captain‘ genannt zu werden, ich habe nicht mal ein Boot.“

Auch die Kasse stimmt endlich: Ein echter Van Vliet kostet mittlerweile zwischen 10.000 und 35.000 Dollar, Galeristen und Kunstfreaks — die von seiner Musik-Vergangenheit oft keine Ahnung haben — sehen in Van Vliet einen der kreativsten zeitgenössischen Köpfe. Seit Ende November wird Käptn’s Kunst erstmals museal gewürdigt: begleitet von musikalischen Hommagen stellt der Bielefelder Kunstverein Van Vliets schöne wilde Bilder aus. Dazu erscheint eine neue Platte — ohne Musik, dafür übt sich Beelhovenund Wagner-Fan Van Vliet in Rezitation.

Den jüngsten Gerüchten einer ruinierten Gesundheit -— von Rollstuhl und Krebs ist die Rede -— begegnet Beefheart gewohnt kryptisch: „Alles Lüge. Ich fühle mich wohl wie eine Muschel.“