Punk auf dem Laufsteg
Punk war schon in Urzeiten mehr Mode als Meinung. In den Neunzigern hat das jetzt auch die Haute Couture entdeckt.
Paris goes Punk. In peinlicher Übereinstimmung wärmen renommierte Mode-Designer momentan den Anorcho-Look auf. Helmut Lang entwirft Plastik-Jeans, Mugliers legt seinen Damen Hunde-Halsbänder an, Versace hält seine Röcke mit Sicherheitsnadeln zusammen und Jean-Paul Gaultier fällt auch nichts besseres mehr ein, als Models simluierte Nasenringe und Kettenschmuck quer übers Gesicht zu hängen. Und möglicherweise wird der Welt ein „Punk-Revival“ nur beschert, weil Modemachern die Ideen ausgeehen. Der Verdacht liegt nahe: In chronologischer Reihenfolge wird heute alles kopiert, was früher mal jung, hip und revolutionär war, und nach dem Hippie-Look der Sechziger und Siebziger kam nunmal der Punk. Für Branchenkenner der Modeszene ist die permanente Rückbesinnung der Designer eine BankrottErklärung ihrer Kreativität, für ehemalige Originale eine absurde Lächerlichkeit. Denn: eine Versace-Sicherheitsnadel unterscheidet sich von einer normalen vor allen Dingen -durch den Preis. Vivienne Westwood, einstmals schöpferische Urquelle des gesamten Punk-Looks, hat zu der Neuauflage in Haute Couture nur wenig zu sagen: „Jämmerlich.“ Julie Burchill, britische Journalistin und Punk-Chronistin der ersten Stunde sieht das Ganze pragmatischer: „Punk war immer nur Mode. Mit Politik wollten wir damals schon nichts zu tun haben.“